„Das Drama eines menschlichen Lebens kann man immer mit der Metapher der Schwere ausdrücken …“, heißt es bei Kundera, auf dessen Bestseller Drvenkars Titel anspielt. Dicksein ist für Paula ein Drama: Sie versteckt sich im hohen Gras, in Blätterhaufen, im tiefen Schnee. Die Familie bagatellisiert das Problem, nur Onkel Hiram liebt Paula wie sie ist und wirft sie freudig in die Höhe – ohne Angst vor Rückenschmerzen. Und Paula bleibt oben. Ballonleicht schwebt sie über allen, von der Familie gut versorgt, mit Büchern, Handy, Fresskorb (S. 50!). Verstanden jedoch hat diese Familie wenig. Anfangs noch schwankend, entscheidet sich Paula letztlich bewusst für das „leichte(re) Sein“. Endlich nimmt sie die wärmende Sonne, Vogelgezwitscher, den Duft des Meeres wahr. Leichter wird Paula diese Entscheidung durch Freunde, denn ihr Beispiel macht Schule. Zu Paula gesellen sich dicke Kinder aus aller Welt …
Der Text des handlichen, blassblau-roten Buches bestehend aus kurzen, klaren Sätzen, auf den Seiten angeordnet wie ein Gedicht, lässt viel Platz zum Denken. Einfühlsam erzählt Drvenkar Paulas Drama mit vielen kindgemäßen Beispielen: zu schwer für Schaukel und Fahrrad, sogar mit Schwimmring läuft sie auf Grund … Letztlich (er)-findet er eine phantastische Lösung. Diese ließe sich auch als Plädoyer für jegliche Normabweichung interpretieren. Leider verlässt Drvenkar im letzten Kapitel die an Paula gebundene Erzählperspektive.
Seine Leseransprache mit Bemerkungen über das Leben und die Freiheit beim Geschichten-erfinden wirkt wie eine Brücke zwischen dem Modethema „Dicksein als Zivilisationskrankheit“ und seinem ästhetischen Konzept und dessen vorauseilende Verteidigung.
Peter Schössow setzt „Körperlichkeit“ auf distanziert-unterkühlte Weise ins Bild: Paulas Familie, alles Bohnenstangen, außer Onkel Hiram, contra buddhaähnliche Paula. Frosch- oder Frontalperspektiven vermitteln Distanz und/oder Nähe. Das Happy End, die „Harmonie der Himmelskinder“ lässt aufmerken, denn: Warum schweben auf der letzten Doppelseite die dicksten Freunde so kontaktlos umher?
Vorgelesen dauert der Text nur 15 Minuten, ideal für eine Schulstunde, Bibliothekseinführung, Lesepatenbetreuung. Spannend könnte es sein, Paulas Entscheidung offen zu lassen und – auf die Kinder vertrauend – das Problem zu diskutieren.
(Der Rote Elefant 25, 2007)