Drei Menschen kann sie je drei Wünsche erfüllen – die mumifizierte Affenpfote aus Indien, der ein Fakir Zauberkräfte verliehen haben soll. Zwei Menschen wurden ihre Wünsche bereits erfüllt. Zu sterben – war der letzte Wunsch des 1. Besitzers. Der 2. Besitzer, Sergeant Major Morris, sitzt im Wohnzimmer der Whites (Mutter, Vater, Sohn Herbert) und erzählt von seiner Zeit in Indien, wo er an die Affenpfote gelangte. Kurz entschlossen wirft er diese ins Feuer, sie habe „(…) viel zu viel Unheil angerichtet.“ Dessen ungeachtet holt Mr. White die Pfote wieder heraus. Später berät sich die Familie: 200 Pfund würden die auf dem Haus lastende Hypothek tilgen. Halb ungläubig, halb hoffend streckt Mr. White die Affenpfote in die Luft, spricht den Wunsch – und ein verhängnisvolles Schicksal nimmt seinen Lauf.

Die Carlsen-Reihe „Die Unheimlichen“ ist der ambitionierte Versuch, Jugendlichen Zugänge zu Klassikern der Horrorliteratur anzubieten, wozu sich die Form „Graphic Novel“ besonders eignet, kann sie doch z. B. die Bildsprache computeranimierter Filme gekonnt aufgreifen. Sabine Wilharms Adaption der Schauergeschichte von W. W. Jacobs („The Monkey’s Paw“, 1902) besticht durch vielgestaltige Perspektiven,  Anschnitte, Zoomeffekte, verschobene Größenverhältnisse und Simultandarstellungen, worin besonders das Spiel mit Licht und Schatten die Wucht und Tragik verdeutlicht, mit der sich das Leben der Whites ändert.

Das Motiv der drei magischen Wünsche, seit Jahrhunderten in  Mythen und Märchen vieler Völker verankert, variierte Jacobs, indem das Wünschen hier gespenstische Folgen hat bzw. tödlich wirkt. In der Schwebe bleibt, ob die Ereignisse zufällig eintreten oder die Affenpfote dafür verantwortlich ist. Diese Schwebe vermitteln auch Wilharms dynamisch-abwechslungsreiche in Grau, Lila und Schwarzweiß gehaltene Illustrationen, wobei sie textergänzend den Geist des Affen ins Bild setzt: So kauert dieser auf dem Sessel, kaum dass der 1. Wunsch ausgesprochen ist, während sich der Schatten einer riesigen Affenpfote über das Haus legt. Das zögerliche Unbehagen, mit dem der am nächsten Tag auftauchende Geld- und Unglücksbote im gleichen Sessel Platz nimmt, spaltet die Künstlerin auf beeindruckende Weise in elf miniaturähnliche Bildsequenzen auf.

Anknüpfend an mediengeprägte Sehgewohnheiten von Jugendlichen könnte im Rahmen einer Veranstaltung durch Aufnahmen mit dem Smartphone ein Trailer entworfen werden, der das Bildmaterial der Graphic Novel nutzt, ergänzt durch einen Werbetext und geeignete Musik.

(Der Rote Elefant 39, 2021)

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