Cover: William Sutcliffe; Auf der richtigen Seite
Auf der richtigen Seite
Aus dem Englischen von Christiane Steen
347 Seiten
ab 12 Jahren
€ 16,99

Es ist eine Frage der Perspektive, wer auf der „richtigen“ Seite lebt. Der 13-jährige Israeli Joshua will eigentlich nur seinen Fußball von einem verlassenen Grundstück zurückholen, als er unvermutet auf ein abgedecktes Erdloch stößt. Dies erweist sich als Eingang zu einem Stollen, der offensichtlich unter der Mauer, welche in der Westbank eine israelische Siedlung von palästinensischem Territorium trennt, auf letzteres Gebiet führt. Zunächst nur aus Abenteuerlust kann Joshua der Versuchung nicht widerstehen, den Gang auszuprobieren. Er findet sich im abgelegenen Teil einer arabischen Stadt wieder, lernt dort das Mädchen Leila kennen und bei einer zweiten Expedition auch deren Eltern. Er gewinnt ihr Vertrauen und übernimmt es, die Zitronen- und Olivenbäume zu wässern, die auf „seiner“ Seite der Mauer stehen. Leilas Vater darf diese nur einmal in der Woche mit einem Passierschein aufsuchen und auch das nur, wenn die Grenzer Lust haben, ihn durchzulassen. Irgendwann fliegt die Sache auf. Joshuas Stiefvater, ein zionistischer Hardliner, der alle Palästinenser für Verbrecher und potentielle Attentäter hält, verrät den Tunnel an das Militär. Der Tunnel wird daraufhin von Bulldozern eingeebnet, bewaffnete Israelis führen in der palästinensischen Stadt Razzien durch. Bei einem letzten illegalen Grenzübertritt wird Joshua von einem Querschläger verletzt, sitzt seitdem im Rollstuhl, will aber den Kampf gegen die „riesige Lüge“, für die er die Siedlungspolitik hält, nicht aufgeben.

Der Text lässt den Leser die Erlebnisse und Gefühle des Ich-Erzählers, dessen Name auf Jesus anspielt, gut nachvollziehen. Die komplexe politische Situation wird z. T. symbolisch verdichtet, z. B. wenn sich der jüdische Junge über einen selbst gepflanzten Olivensetzling freut, der aber schließlich doch vertrocknet. Manchmal überfrachtet der Autor die gewählte Erzählperspektive, indem er Joshua die gefährlichen Situationen, in die er gerät, allzu dramatisch schildern lässt. Insgesamt jedoch vermittelt sich ausschnitthaft eine Realität, die Ergebnis einer willkürlichen und ahistorischen Mauerpolitik der israelischen Regierung ist. Das Buch regt an, mehr darüber wissen zu wollen.

(Der Rote Elefant 32, 2014)