Cover: William Grill, Die Wölfe von Currumpaw
Die Wölfe von Currumpaw
Illustration: William Grill
Aus dem Englischen von Harald Stadler
82 Seiten
ab 10 Jahren
€ 20,00

„Seit ich Lobo begegnet bin, ist es mein aufrichtiger Wunsch, den Menschen klarzumachen, dass jedes einheimische wild lebende Geschöpf an sich ein kostbares Erbe darstellt. Wir haben kein Recht, es zu vernichten und unseren Kindern vorzuenthalten.“ Mit diesen Worten Ernest Thompson Setons (1860 – 1946) endet William Grills aufklärerisch intendiertes Kindersachbuch, das von der Wandlung des einst begeisterten Jägers Seton zum passionierten Tierschützer erzählt. Ursache dieses Gesinnungswandels war Lobo, „König der Prärie“, der als Leitwolf eines Rudels trotz ausgeklügelter Jägerfinten immer wieder entkam. Für Seton, dessen schottische Vorfahren angeblich alle Wölfe Großbritanniens beseitigt hatten, eine Herausforderung. Doch auch Setons Giftköder durchschaut Lobo, stapelt sie aufeinander und bedeckt sie mit Dreck. Letztlich scheitert Lobo an der „Liebe“ zur Weißwölfin Blanca, die in die Falle geht. Aber Seton tötet Lobo nicht. Eingefangen stirbt dieser im Camp.

Grill erzählt Setons Geschichte „The Legend of Lobo“ objektiviert nach, aber ihm geht es darüber hinaus um eine kritische Sicht auf die Besiedlung des „Alten Westens“ (1. Kapitel: New Mexico 1862), in deren Verlauf Indianer und Wölfe beinahe ausgerottet wurden. Von Hause aus bildender Künstler, gelingt Grill die Verschränkung von Lobo-Schicksal und Seton-Biographie nur z. T., da er sich begrifflich zu nah an Setons heute etwas antiquiert wirkende Sprache anlehnt. Die schwarzgrau-rotbraun-blau-weißen Buntstiftillustrationen jedoch, mal grob bzw. fein schraffiert, mal gekritzelt, mal detailliert, überzeugen durchgängig. Auf den Handlungsort verweisen bereits Vor- und Nachsatz mit indianischen Mustern von Teppichen oder Umhängen. Doppelseitige Kapitelaufmacher von Prärie- oder Stadtpanoramen (z. B. New York City 1893), aber auch das Großporträt eines Wolfes stimmen auf Kommendes emotional ein. Bestechend wirken Gegensätze und Perspektivwechsel im Verhältnis Mensch/ Tier/Natur/Zivilisation: Groß und Klein, Nähe und Ferne, Ruhe und Bewegung, Begrenzung und Freiheit … Abstrahierte Bildchen von Mensch oder Tier erfassen im Speziellen Allgemeines. Bildfolgen bzw. Vignetten wiederum erzählen eigene Geschichten neben dem Text.

Mit der Einwanderung von Wölfen nach Deutschland wird die oben zitierte Setonsche Mahnung wieder hochaktuell und kontrovers diskutiert. In einer Pro- und Contra-Diskussion könnten ältere Kinder verschiedene Positionen vertreten: Bauern, Förster, Naturschützer, Märchenerzähler …

(Der Rote Elefant 36, 2018)