„Wenn man über etwas schreibt, was man kennt, wird es immer richtig.“ Der namenlose Ich-Erzähler dieser Geschichte ist keine Leuchte in der Schule, aber er gibt sein Bestes. „Mehr war nicht drin.“ Seine Freunde Anastasia, Sissi und Mo kennt er von klein auf; an ihrer Seite sind die Schultage erträglich. Alle vier leben im gelben Wohnblock mit den grünen Streifen. Viel ist nicht los in der Hochhaus-Siedlung, aber es gibt einen See, der die Form eines Sterns hat. Erstmals erleben die Kinder, dass dieser See im Winter zufriert. Doch er taut weder im Frühling noch im Sommer auf. Was für eine Sensation! Wissenschaftler, Fernsehen, Presse – Neugierige aus Nah und Fern rücken an und berichten, Imbissbuden werden aufgebaut. Allerlei Theorien über die Ursache des nicht auftauenden Sees machen die Runde: Ein Eismonster treibe sein Unwesen, eine neue Eiszeit begänne, der Weltuntergang sei nah. Derweil Spekulationen und Untersuchungen weitergehen, liegen die Kinder auf dem kühlen Eis und lassen sich von der Sonne bescheinen. Sie beobachten „das Majestätische“ (ein am See lebender, zerzauster Reiher), freunden sich mit dem Kioskbesitzer an, bei dem sie ihre bunten (Süßigkeiten)Tüten kaufen – und auch sonst vollziehen sich leise Veränderungen im Leben der Kinder …
Will Gmehling lässt seinen Erzähler rückblickend, in unaufgeregtem Duktus, die Ereignisse von etwas mehr als einem Jahr Revue passieren. Die Beschreibungen sind knapp, poetisch-dicht und stehen im Gegensatz zur Aufregung, die das rätselhafte Ereignis auslöst. Die vier Teenager bleiben gelassen-cool und doch eröffnet ihnen diese Ausnahmezeit neue Horizonte. Plötzlich scheint Vieles möglich: in die Innenstadt zu fahren, eine eigene Meinung zu haben, davon zu träumen, auch an einem anderen Ort leben zu können als in ihrer Siedlung, in Bottrop beispielsweise oder in Indien.
In seine Geschichte über Freundschaft, Zusammengehörigkeit, Erwachsenwerden und Hoffnung webt Will Gmehling subtil-sensibel ein, wie Kinder leben, deren Eltern kein Geld für Urlaubsreisen oder einen neuen Schulranzen haben. Dass das Unerklärliche, Unergründliche zum Leben dazugehört, gestaltet der Autor mit großem Vertrauen in die Fähigkeit seiner jungen Leserschaft, sich eigene Gedanken zu machen. Was für eine Wohltat angesichts der Menge an erzieherisch intendierten Kinderbüchern auf dem Buchmarkt!
Zum ästhetisch überzeugenden Gesamtkunstwerk wird das Buch durch die feine Buchgestaltung mit den konsequent in kühlen Blautönen, Schwarz und Weiß gehaltenen Illustrationen von Jens Rassmus. Stimmungsvoll begleiten und erweitern diese den Text in wichtigen Situationen. Mit Bildern von unerklärlichen Naturphänomenen, darunter auch das Coverbild von „Der Sternsee“, könnte ein Einstieg in die Geschichte gestaltet werden.
