Uri Orlev erzählt die wahre Geschichte eines jüdischen Jungen nach – soweit Erinnerungen sich der Wahrheit annähern können. Es geht um die Zeit zwischen 1941 bis 1948. Laut Widmung benutzte Orlev sogar die originalen Namen der beteiligten Personen.
Eli (Eljuscha) wurde 1936 in einer Kleinstadt im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet geboren. Er beginnt seine Erzählung kurz nach dem fünften Geburtstag, als die Familie – bestehend aus Vater, Mutter und drei Geschwistern – gezwungen wird, vor der deutschen Wehrmacht zu fliehen. Diese Flucht führt mit Auto, Pferdewagen und Eisenbahn bis nach Kasachstan, wo sie in einer ländlichen, muslimisch geprägten Gegend eine Hütte bewohnen. Der Vater, inzwischen Angehöriger der Sowjetarmee, wird später wahrscheinlich von Stalins Geheimpolizei ermordet. Das Überleben ist schwierig. Nur durch Mithilfe aller und weil die Mutter Balalaikaspielen und Wahrsagen nach Tarotkarten gegen Lebensmittel tauschen kann, gelingt es. Gegen Ende des Krieges beginnt wieder eine strapaziöse Reise in Güterzügen und Lastkraftwagen Richtung Westen, mit Stationen in Polen und Deutschland, bis an die französische Mittelmeerküste. Mit dem letzten von den Engländern durchgelassenen Schiff gelingt die Ausreise nach Palästina.
Sprachlich überzeugend gelingt es Orlev bzw. der Übersetzerin Pressler aus der Sicht eines Kindes eine Geschichte von Krieg und Vertreibung nachzuerzählen. Gleich auf den ersten Seiten – in der Schilderung des Doktorspiels mit dem ukrainischen Nachbarmädchen und der Freude über ein Spielzeugauto als Geburtstagsgeschenk – wird das psychologische und gesellschaftliche Milieu deutlich. Das kindliche Erleben ist nicht hauptsächlich von Angst geprägt, wofür es viele Anlässe gäbe, sondern von den abenteuerlichen Umständen des Überlebens. Dabei kommt es zu skizzenhaften Szenarien, die das Ausmaß von Bedrohung und Verlust unvergesslich einprägen. Etwa wenn ein Hilfesuchender an die Tür der Hütte klopft, die aus Furcht nicht geöffnet wird, und der Hilfesuchende am Morgen erfroren vor der Tür liegt. Oder in der Szene in einem Sammellager für jüdische Waisenkinder: Die Mutter gibt Eljuscha einen Gutenachtkuss und die anderen Kinder fangen an zu weinen, weil für sie „Mama“ nur eine Figur aus dem Märchen ist. So gibt es bis in die Schilderung des Kibbuzlebens viele Szenen, die einerseits von der Banalität des Alltags erzählen, aber gleichzeitig symbolisch verdichtet das Allgemeine abbilden. Für aufmerksame jugendliche Leser verlangt der Text nach weiterer Recherche zu Themen wie Zweiter Weltkrieg, Stalinismus, Zionismus, Antisemitismus. Deshalb die Altersempfehlung ab 14. Lesen können das Buch auch schon Jüngere.
(Der Rote Elefant 30, 2012)