Im Garten von Oma Apo
Text: Tang Wei
Illustration: Tang Wei
Aus dem Chinesischen von Brigitte Koller Abdi
34 Seiten
ab 5 Jahren
€ 16,50

„Oma Apo ist etwas eigenartig. Sie geht nicht etwa auf den Markt, um einzukaufen, sondern um weggeworfenes Gemüse einzusammeln.“ Überdies baut Oma Apo auf dem Dach eines Hochhauses inmitten einer Großstadt selbst Obst und Gemüse an. Und hält dort sogar Hühner und Gänse, an die sie das Weggeworfene verfüttert. Eine steile Treppe führt von Oma Apos Wohnraum direkt ins grüne Paradies. An dessen Ernte erfreuen sich Kinder, Enkelkinder und Nachbarn. Gemeinsam sitzen alle um Omas großen Tisch voller Köstlichkeiten. Schnell ein Foto mit dem Smartphone! Nach dem Essen ist noch viel übrig. Jeder und jede nimmt etwas mit. Die Reste konserviert Oma Apo, bevor sie erschöpft, aber glücklich, in den Sessel sinkt.

Im Nachwort verrät Tang Wei: „Die Oma in dieser Geschichte ist meine Großmutter“. Damit setzt die chinesische Bilderbuchkünstlerin in ihrem Bilderbuchdebüt einer Frau ein Denkmal, die lange vor dem „urban gardening“-Trend alternativ zur Wegwerfgesellschaft lebte. Oma Apos Garten stellt nicht nur einen Ruheort inmitten des lauten, großstädtischen Treibens dar, sondern steht für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung. Dass dies anfangs als „eigenartig“ bewertet wird, macht Leser- und Betrachter*innen auf die Heldin neugierig. Später heißt es: „Na, so seltsam ist diese Oma eigentlich gar nicht …“. Aufklärerisch intendiert, lässt Tang Wei dies ihre Ich-Erzählerin sagen, welche Oma Apo beobachtet und deren Handeln kindlich naiv kommentiert. Kindnah wirken dabei auch Personifizierungen von Tomaten, Kohl und Auberginen, welche sprechen können: „Hilfe! Hilfe! Die fetten Raupen wollen mich fressen!“.

Oma Apos Hantieren wiederum, z. B. mit der Schere, entsprechen Lautmalereien: „Eins, zwei, drei, ruck, zuck, schnipp, schnapp!“. Ohne jede pädagogische Tendenz sind Tang Weis dynamische Buntstiftzeichnungen, welche den arbeitsreichen Tag der Heldin aus „schrägen“ Perspektiven zeigen. Panelartig angeordnete Parallel-Bilder, worin die Heldin scheinbar überall gleichzeitig zu tun hat, wechseln mit Nahaufnahmen ihrer Gewächse, die im Sinne Oma Apos Lust auf gesundes Essen machen. Überzeichnete Rundformen und „sprechende“ Gesichtsausdrücke verstärken die insgesamt komisch-turbulente Bilderwelt, die allen Betrachter*innen großes Vergnügen bereiten wird. Vor dem Bucheinstieg könnten mit geschlossenen Augen (bzw. Masken) im Buch erwähnte Obst- bzw. Gemüsesorten probiert werden. Welche davon sind bekannt, welche nicht? Haben die Kinder selbst schon Gemüse/Obst angebaut/geerntet? Gibt es in ihrem Umfeld „urban gardening“? Bei der Überleitung zum Buch wäre „Apo“ als chinesisches Wort für Oma zu klären. Aber an welches deutsche Wort erinnert es?

(Der Rote Elefant 38, 2020)

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