Das Herz von Kamp-Cornell
288 Seiten
ab 13 Jahren
€ 15,00

Ein Brief verändert das Leben von neun Menschen. „Zu spät“, steht auf dem ansonsten leeren Blatt Papier. Vier Schwestern ziehen mit ihren Kindern, fünf Teenagern, zurück ins Haus ihres Vaters, Viktor Melitzky. Viele Jahre hatten sie keinen Kontakt, weder zu ihm noch zueinander. Die Kinder hatten keine Ahnung, wie groß ihre Familie eigentlich ist. Nun treffen alle im dörflichen Kamp-Cornell in einem Haus aufeinander, das mit seinen nächtlichen Geräuschen und den überall verteilten Buchstaben “CG” ein großes Geheimnis birgt. Gemeinsam begeben sich die fünf Jugendlichen auf Spurensuche. Erst über die Dorfbewohnerin Inge, Besitzerin des örtlichen Nagelstudios, kommen sie den Geschehnissen der Vergangenheit näher.

Susan Kreller legt mit ihrem neuen Buch ein teilweise alptraumhaftes Kammerspiel vor, das ihrer Leserschaft einiges abverlangt. Die Ausgangssituation – vier Familien verlegen ganz plötzlich und auf ungewisse Zeit ihren Lebensmittelpunkt – wirkt im ersten Moment unrealistisch. Kreller gelingt es jedoch, die Leselust durch die geschickt gestaltete Annäherung der charakterlich fein ausgearbeiteten Figuren stetig anzutreiben und die Spannung mit immer neuen Andeutungen und überraschenden Erkenntnissen bis zum Schluss zu steigern. Das Geschehen lässt sich durch genaues Lesen kriminologisch entschlüsseln. Besondere Freude bereitet es, beim erneuten Lesen die zahlreichen Hinweise zur Aufdeckung des Dorfgeheimnisses zu verstehen. Krellers Roman besticht durch seine sprachliche Qualität. Einerseits irritiert sie mit eigenwilligen Wortspielen und poetischen Bildern („Die Briefmarke war nicht abgestempelt und hatte den Tod zwischen den Zähnen.“/ „Und wenn sich das Haus all die Jahre seine verteilten Ohren zugehalten hatte …“). Andererseits wählt sie eine überschauende Erzählinstanz, die nicht alles offenbart, was sie weiß und nah an die verschiedenen Figuren rückt. Cousine Lu überspielt ihre Verunsicherung durch endlos wirkende Plappereien, der schüchterne Edin erweist sich als sensibler Beobachter; der immerzu und alles zählende Johnny nervt und rührt mit seinem Zwang, alles, was Weiß ist, siebenmal berühren zu müssen. Was zwischen ihren Müttern und ihrem Großvater in der Vergangenheit in diesem Haus geschehen ist, bleibt offen – oder vielleicht doch nicht?

Empfohlen ist das Buch Jugendlichen ab 13 Jahren, auch zum gemeinsamen Lesen mit Gleichaltrigen oder Eltern, da das Entschlüsseln der komplexen Zusammenhänge, das Entdecken und Deuten der Hinweise Freude macht.