Herr Eichhorn ist wieder da! Und das, nachdem er den Mond gerettet (DJLPNominierung 2007), auf den ersten Schnee gewartet und den Weg zum Glück gesucht hat. Diesmal sind er und seine Freunde ‒ Igel und Bär ‒ mit zwei Fremdlingen konfrontiert, die den Bären einfach nicht in Ruhe lassen. Auf unverschämt distanzlose Weise verfolgen sie den zotteligen Gesellen. Ihr leuchtendes Blau und die geradezu unheimliche Penetranz beweisen, dass sie von einem anderen Planeten kommen müssen. Niemand aus dem heimischen Wald würde sich mit einem Bären anlegen! Selbst Herrn Eichhorns genialer Einfall, den Bären als Baum und einen Baumstumpf als Bären zu tarnen, kann die Fremdlinge nicht täuschen, was die allgemeine Panik noch verstärkt. Als schließlich deutlich wird, was die blauen „Außerirdischen“ vom Bären wirklich wollen, kommt es zu interplanetarischer Koexistenz …
Das Bilderbuch ironisiert auf Text- und Bildebene gleichnishaft Furcht und Vorurteile allem Fremden gegenüber, wobei die komische Wirkung daraus resultiert, dass Leser bzw. Betrachter von Anfang an die blaue Gefahr einschätzen können und damit schlauer sind als die verstörten Protagonisten. Der in Berlin lebende Bildkünstler Sebastian Meschenmoser schafft es erneut, seine mit Blei- und Buntstift sehr realistisch gezeichneten Tierprotagonisten in absurde, an Slapstick erinnernde Situationen zu bringen. Die Differenz zwischen realistischer Figurengestaltung und abstrusen Handlungsmomenten birgt Möglichkeiten des Komischen, welche mit cartoonartig-abstrahierten Tieren so nicht zu haben waren.
Es ist eine Freude, die Versteckversuche des Bären zu beobachten, und es macht diebischen Spaß, die Panik der Tiere wachsen zu sehen, insbesondere angesichts der Ungefährlichkeit der Fremden. Die zunehmende Angst der Tiere manifestiert sich außerdem durch einige herrliche Zitate aus Literatur (Gullivers Reisen) und Film (Star Wars, King Kong). Die von Meschenmoser humorvoll ins Bild gesetzten Anspielungen funktionieren und amüsieren jedoch auch ohne Vorwissen.
Die neue Eichhorn-Geschichte bietet eine gute Möglichkeit, mit Kindern über alltägliche Xenophobie und klischeehafte Vorstellungen von „Fremden“ zu sprechen. Als Einstieg dazu könnten ausgewählte Illustrationen dienen, welche die Panik der Tiere zeigen, aber noch nicht die „blaue Gefahr“. Wovor konnten die Tiere des Waldes solche Furcht haben? Nach Kenntnis der Geschichte nebst befreiendem Lachen wäre die Perspektive der Tiere näher zu untersuchen? Woraus resultierte deren für die Leser/Betrachter/Zuhörer unverständliche Furcht?
(Der Rote Elefant 31, 2013)