Wer versteckt sich?
Ein BIlderbuch zum genauen Hinsehen
Illustration: Satoru Onishi
Moritz Verlag, München, 2010
35 Seiten
ab 2 Jahren
€ 11,95

Auf der ersten Doppelseite sind 18 tierische Protagonisten zu sehen, ordentlich aufgereiht vor weißem Hintergrund, mit auf den Betrachter gerichtetem (Silber-)Blick und Beschriftung unterhalb des Bildes. Wie auf einer naturwissenschaftlichen Bildtafel sind sie versammelt: Haustiere wie Hund, Katze, Huhn, Wildtiere wie Löwe, Zebra, Känguru. Nur ist die Darstellungsart keine naturgetreue, sondern eine abstrahierte, grafische, auf das Wesentliche des Tieres reduzierte. Da stehen sie und gucken den Betrachter an – das ganze Buch hindurch, auf 13 Doppelseiten, scheinbar unbewegt, gleichbleibend. Doch der Schein trügt!

Mit scharfem Auge und guter Merkfähigkeit ist einiges an Veränderung zu entdecken, manchmal nur ein winziges Detail. Eine Frage pro Seite gibt dabei Unterstützung: „Wer versteckt sich?“, „Wer weint?“, „Wer ist wütend?“ usw.

Satoru Onishi arbeitet mit nur acht Farbtönen, zuzüglich Weiß und Schwarz, die allesamt flächig eingesetzt werden – sowohl bei den Tieren als auch bei der Hintergrundgestaltung.  Außerdem nutzt er Schwarz für Konturen und Linien. Diese Entscheidung verleiht dem Buch eine ruhige Klarheit und führt gleichzeitig zu überraschenden Effekten. Auf Seiten mit farbigem Hintergrund „verschwinden“ die farblich gleich gestalteten Tiere teilweise bzw. verschmelzen mit dem Hintergrund, „verstecken“ sich. Doch welches Tier war das bloß?

Ein gutes Erinnerungsvermögen ist vonnöten, um das jeweilige Tier an sparsamen Details wieder zu erkennen. Notfalls hilft Zurückblättern oder die Antwortliste auf der letzen Seite. Dies ist ein Buch, mit dem ein Kind wachsen kann: beginnend mit dem Zeigen und Benennen von Tieren und Farben, können später räumliche Orientierung, Tätigkeiten, emotionale Zustände, Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit großem Vergnügen geübt und diskutiert werden. Denn wieder ist nicht alles so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint – schaut doch neben dem wütenden Bären auch das Zebra recht finster drein. Warum das wohl so ist? An dieser Stelle beginnen die Geschichten, die von den Kindern noch zu erfinden sind.

28 Jahre brauchte dieses Buch, dem ein ausgeklügelt-raffiniertes künstlerisches Konzept zugrundeliegt, um auf dem deutschen Markt zu erscheinen. Wie gut, dass es nun da ist.

(Der Rote Elefant 29, 2011)