Für den 10-jährigen August ist Halloween der schönste Tag im Leben. Mit einer Maske auf dem Kopf kann er unerkannt durch die Stadt gehen. „Ich werde nicht beschreiben, wie ich aussehe. Was immer Ihr Euch vorstellt ‒ es ist schlimmer.“ Durch einen Gendefekt ist sein Gesicht entstellt. Daran haben 27 Operationen nichts geändert. August wird zuhause unterrichtet, aber nach den Sommerferien soll er auf eine Schule gehen. Aufgrund seiner Erfahrungen fürchtet August das tägliche Angestarrtwerden oder Wegsehen, den Spott oder das Mitleid.
Als er die behütete Familienwelt verlässt, treten zwar einige Befürchtungen ein, aber vieles kommt auch anders. August lernt, sich zu zeigen, zieht sich nicht mehr nur zurück, duldet nicht nur, sondern versucht Reaktionen zu verstehen und Vertrauen zu fassen. Aufgrund der Liebe, die sein Heranwachsen bestimmte, ist er sensibel gegenüber anderen und baut ihnen mit Sprachwitz und Ironie Brücken. August muss erkennen, dass er Freundschaft und Mitgefühl nur erlebt, wenn er sie zulässt und selbst gestaltet.
Für ihr Debüt nutzt die Autorin das mehrperspektivische Erzählen. Familienmitglieder, Mitschüler und Freunde kommen zu Wort. Die Vielstimmigkeit aller Ichs rückt Augusts Problem ein wenig aus dem Mittelpunkt. Alle diese Ichs sind unsicher im Umgang mit August, erfahren selbst Ablehnung, ringen um Anerkennung und durchleben Konflikte. „August ist die Sonne. Mom und Dad und ich sind Planeten, die die Sonne umkreisen. Der Rest unserer Familie und Freunde sind Asteroiden und Kometen, die um die Planeten herumschweben.“ Diese Worte von Augusts Schwester Via lassen ahnen, wie kompliziert auch ihr Leben ist. Die Autorin differenziert ihre Figuren durch unterschiedliche Erzähltöne (von lakonisch bis pathetisch), verleiht ihnen durch Gedanken, Haltungen und Entscheidungen eine jeweils ganz eigene Art. Jeder neuen Stimme stellt sie das Zitat eines berühmten Dichters voran. Alle zielen auf den Wert menschlichen Lebens und die Akzeptanz von Verschiedenheit. Das Wunder für August besteht im erfolgreichen Bewältigen des fünften Schuljahres. Dem Leser vermittelt das Buch einen „wunder“baren Einblick in Gefühle und Gedanken anderer. So kann sich jeder selbst befragen, wie er mit einem wie August umgehen würde oder über das Verhältnis von Hässlichem und Schönem nachdenken. Hätte die Autorin doch auf das letzte Kapitel verzichtet! So entlässt sie den Leser leider mit einem kitschigen Ende.
(Der Rote Elefant 31, 2013)