Käp’tn Lüttich und seine Jungs schleppten mit der KRAUTSAND jahrelang die großen Pötte in den Hafen. Nun ist der Schlepper im Eimer, die drei sind arbeitslos. Doch jedes Ende ist ein neuer Anfang: Lüttich findet ein Ei, daraus schlüpft ein unbekannter Vogel. Aus der Tagesschau erfahren die frischgebackenen Väter Hintergründe ihres Fundes. Wissenschaft und Medien stürzen sich auf die Sensation: das Vogelbaby gehört zu einer längst ausgestorbenen Art! Baby Dronte wird hoch gehandelt. Vom Erlös könnte die KRAUTSAND saniert werden. Lüttich verkauft – und Baby Dronte schreit herzzerreißend „Mama“. Die Drei plagt das Gewissen, das Baby wird aus seinem Käfig befreit, die wieder flotte KRAUTSAND flüchtet mit Kurs auf Mauritius, wo reichlich ausgestorbene Drontes vorkommen. Offensicht-lich waren vor 300 Jahren nicht alle von hungrigen Kolonisatoren verspeist worden.
Das phantastisch-ironische Bilderbuch um Moral, Medien und Moneten, erstmalig erschienen 1992, ist aktueller denn je. Die vermenschlichten Helden Ratte, Biber und Kröte sind Underdogs, keine hohen Tiere, auch wenn Maschinist Krittel „keiner das Schmieröl reichen kann“. Schössows Heimat Hamburg ist als Airbrush-Kulisse bereits auf der 1. Doppelseite hintergründig identifizierbar (später das AKW Brunsbüttel). Alles wirkt wunderbar keimig in grau-grün-gelben Farbtönen, aber die wackere Crew schippert heiter vor rostigem Ozean-riesen. Vergleicht man das Buch mit jetzigen Schössow-Büchern zeigen sich markante Unterschiede im Strich. Aktuellere Titel wirken karger, die Figuren sind verknappter charakterisiert, schwarz umrissen, die Gegensätze deutlicher, die Bildräume eher leer.
„Baby Dronte“ ist opulent illustriert, die Figuren wirken differenziert überzeichnet, aber prall-drastisch-natürlich. In den vielen Details finden sich ironische Anspielungen auf Literatur-, Kunst- und Reisemotive, die Perspektiven wechseln häufig, die Bildfolge erzählt lückenlos die Geschichte und vieles darüber hinaus. Aber schon hier ist Schössows Vorliebe für Licht und Schatten(seiten des Leben) zu bewundern, egal ob als Fernsehlicht, als Sonnenaufgang, Blitzlichtgewitter oder wenn Mond, Laterne oder Glühbirne den Flüchtigen den Weg weisen.
Wie jedes gute Bilderbuch ist „Baby Dronte“ altersoffen. Da „Ei“ symbolisch für Anfang steht, kann es auch als (zu öffnendes) Objekt am Anfang einer Veranstaltung inmitten von Kindern liegen. Was schlüpft aus Eiern? Die Kinder malen oder erzählen. Aus dem Ei kommt dann die Kopie des Schössow-Eis. Und schon ist man in der Geschichte …, deren phantastisches und sozialkritisches Potential reichlich kreative Anknüpfungspunkte bietet.
(Der Rote Elefant 26, 2008)