Gutenachtgeschichten für Celeste
Ein sehr gruseliges Bilderbuch
32 Seiten
ab 4 Jahren
€ 18,00

Boris und seine kleine Schwester Celeste bleiben zum ersten Mal abends allein zuhause. Alles ist mit den Eltern genau abgesprochen („Ja. Ja. Ja. Ja. Ja.“) – aber natürlich kosten die beiden ihre Freiheit aus: Kartoffelchips statt Vollkornbrot! Beim versprochenen „keinen-Film-mehr-Gucken“ wird Boris von Celeste gestört, die ihre Gutenachtgeschichte einfordert. Selbstverständlich soll es keine für „kleine Babys“ sein, sondern eine Gruselgeschichte! Boris legt sich ins Zeug und fährt jedweden Schrecken auf, der ihm einfällt – doch es ist eine Herausforderung, Celeste das Fürchten zu lehren …

Die bei Kindern oft sehr ausgeprägte Angstlust wird in diesem Bilderbuch von zwei Meistern ihres Fachs fantasie- und humorvoll zelebriert. Zudem thematisieren sie auch den widersprüchlichen Umgang damit: Permanent unterbricht Celeste die Geschichten ihres Bruders. Gespenster sind langweilig, die Farbe des Kleides einer Prinzessin ist interessanter als die sie bedrohende Pflanze, eine kopflose Dame animiert zum Nachspielen, ein Seeungeheuer macht Durst … Gruselig aber findet Celeste die Geschichten nicht. Möglicherweise ist sie tatsächlich unempfindlicher als ihr großer Bruder denkt. Oder könnten Celestes Unterbrechungen auch Vermeidungsreaktionen sein, um nicht mehr zuhören zu müssen, weil sie sich eben doch fürchtet?  Vielleicht will sie Boris aber auch nur ärgern und hat selbst zu viel Fantasie, um der ihres Bruders zu folgen – davon zeugt am Ende ihre Gruselgeschichte für Boris. Eine „richtig“ gruselige Geschichte, die letztlich nur Celeste selbst erfinden kann, damit sie sie aushält? Erfreulicherweise lässt das Buch eine eindeutige Lesart offen.

Was für eine grandiose Idee, Ole Könneckes lockere und witzige Strichzeichnungen mit Nikolaus Heidelbachs altmeisterlicher und abgründiger Illustrationskunst zu kombinieren! Könneckes Geschwisterpaar-Comics zeigen in ihrer Klarheit in Bild und Text eine schwungvolle Dynamik und vielfältige Emotionalität. Dabei kommt der Zeichner ohne Panel-Umrandungen aus und setzt die cartoonartigen Szenen hintereinander auf weißen Grund, wodurch eine quirlige Leichtigkeit entsteht. Diese bildet das perfekte Gegenstück zu Heidelbachs unheimlich-düster und statisch wirkenden Einzelseiten, die mit doppelbödigem Humor Boris’ (oder Celestes?) Gruselfantasien zeigen. Ein hervorragend inszenierter dialogischer Text, der den Ton von Kindern und ihren Umgang miteinander genau trifft, verbindet beide Bildebenen und Erzählweisen. Alles zusammen überzeugt rundum.

Die Machart des Buches gibt den Umgang damit vor: Heidelbachs Einzelbilder bieten exzellente Erzählanlässe für Gruselgeschichten und Boris’ angefangene Geschichten inspirieren zu eigenen Gruselbildern.