Schon das Format des Buches ist „anders“. Es erweist sich beim Aufschlagen als ziemlich sperrig: 18 x 47 cm Halbleinen hält man in den Händen. Schon aus praktischen Gründen ist es also besser, die Geschichte nicht allein zu lesen, sondern sie mit anderen zu teilen.
Fiete ist ein Schaf. Und „anders“ als die anderen. Im Gegensatz zu seinen flauschig-weißen Anverwandten kugelt Fiete rot-weiß-gestreift über die grüne Wiese und fühlt sich daher ziemlich einsam. Auf der Suche nach dem Ort, „wo anders richtig ist“, verlässt er den vertrauten Weideplatz und folgt einem Ballon, der ihm in Farbe und Form ähnelt. Von nun an begleitet man Fiete durch eine für ihn fremde, grau-braune Welt, immer auf der Suche nach dem eigenen Anderen. Doch in der Stadt begegnet er zwar vielen Dingen, die ihm ähnlich scheinen, doch noch immer fühlt sich Fiete unglücklich. Bis es eines Tages in einer Transportkiste einschläft und an einem Ort aufwacht, der ihn in einen Glückszustand versetzt. Fiete riecht salzige Luft, das Rauschen der Wellen klingt in seinen Ohren. Und von nun an schickt ihm des Nachts „sein großer neuer“, rot-weiß-gestreifter Freund lichte Grüße.
Dieses Buch macht Spaß, nicht nur dann, wenn man wie die Autorin eine besondere Vorliebe für die Nordsee hat (s. Widmung). Colorierte Federzeichnungen kombiniert Miriam Koch mit Collagematerial wie Packpapier und Fotoausschnitten vom Meer.
Der Betrachter folgt Fiete von Seite zu Seite, immer auf der Suche nach den rot-weiß gestreiften Details: eine Zuckerstange fällt ebenso ins Auge wie ein antiker Grammophontrichter, der auf einer Litfasssäule abgebildet ist. Und man lernt nebenbei, dass es manchmal einer Reise mit vielen neuen Eindrücken bedarf, um irgendwann bei sich selbst anzukommen. Der philosophische Anklang wird durch die groovige „Undergroundstory“ bewusst unterlaufen: In der grauen Stadt flitzen Ratten zwischen mit Fliegen besetzten Fäkalien umher, berauschen sich an Industrieabfall und schaufeln sich auch schon mal gegenseitig ein Grab. Für eine Annäherung an das Buch könnte ein rot-weißer Faden in einen Veranstaltungsraum führen. Unter einem Schafsfell liegt verdeckt ein Rettungsring. Die Kinder ertasten den Gegenstand. Wie fühlt er sich an? Wofür wird er verwendet? Wie könnte er aussehen? Vor allem: welche Hinweise geben die beiden Requisiten auf die Geschichte? Schon das erste Bild verrät viel mehr …
(Der Rote Elefant 25, 2007)