Michael Krüger und einige („beständige“) Mitarbeiter erfüllten sich laut Vorwort vor 20 Jahren den Traum eines Kinderbuchverlages. Die Geburtstagsanthologie sei eine Ermutigung an die Leser, ihrem Lebenstraum zu folgen. Lebenswichtig sei, die eigene Einmaligkeit und die feinen Unterschiede bei sich und anderen wahrzunehmen, wobei Kunst und Literatur hilfreich seien …
Sind auch nicht alle 63 Beiträge – wie behauptet – originär (vgl. Piumini „Fang den Ball“ aus der Hanser-Anthologie „Ich möchte einfach alles sein“, 1998) und nicht alle Texte von gleicher Originalität und Dichte, so finden sich doch „Einmaligkeit“ und „feine Unterschiede“ in vielen deutschen und inter-nationalen Stimmen und Illustrationen. Dafür stehen Künstler wie Per Olov Enquist, Hans Magnus Enzensberger oder Rotraut S. Berner, auch Stian Hole, Rolf Lappert oder Sally Nicholls. Mehrfach sind Bücher als unverzichtbare Begleiter, ja Lebenshelfer, thematisiert wie in Heinz Janischs „Mir kann nichts passieren! Ich hab ein Buch“, Jutta Richters „Wie ich das doppelte Lottchen wurde“ oder Enquists „Der Mann im Boot“.
In letzterem Text heißt es: „… ich dachte an den Fliegenden Holländer … und an alle anderen Geschichten … und ich würde nie mehr auf die gleiche Weise krank werden, wie ich es in dem Sommer gewesen war“. Wunderbar in diesem Kontext Lapperts „Wunder von Kalifornien“, worin der „Pampas Blues“-Autor (DJLP-Nominierung 2013) abenteuerlich-lakonisch-ironisch von Lebenszeit und jederzeit nachholbarer Lesesozialisation phantasiert.
Viele Texte sind individueller Lektüre vorbehalten, einige jedoch eignen sich ausgezeichnet für literarische Diskussionen oder Schreibspiele. Für erstere sei Nicholls „Narinders Maus“ empfohlen. Die pointierte Kurzgeschichte um eine bedrohte Maus zeugt davon, dass gute Texte viel mehr vermitteln als sie direkt erzählen. Rezeptionsstrategisch raffiniert gebaut, schult der Text die Selbst- und Fremdwahrnehmung, fordert nachdrücklich zu Perspektivwechseln heraus und provoziert das Füllen von Leerstellen. Zum phantasievollen Fortschreiben animieren Enzensbergers „allzu kluges Baby“ oder Stohners „kleine träumende Elefanten“. Einige Illustrationen, so Holes Collagen mit Regentropfen aus Erdbeeren oder Nägeln oder Quint Bucholz‘ „Fenster bei Nacht“ inspirieren zu eigenen Lebens-Traum-Geschichten.
(Der Rote Elefant 32, 2014)