Roter Elefant Oma Erbse Bilderbuchempfehlung Rezension

Leonors Oma ist im Krankenhaus. Sie liegt im Sterben, auch wenn sie das vor Leonor nicht zugeben will, denn vor Kindern spricht man über sowas nicht. Im Alltag der fünfköpfigen Familie wird allerdings schnell klar, dass die Jüngste schon mehr von Vergänglichkeit versteht, als von der Großmutter angenommen. Beim Umgraben des Gartens entdecken die drei Geschwister, wie ein Komposthaufen funktioniert, und da kommt Leonor eine Idee, die sie Oma eifrig mitteilen muss: „So schlimm ist das nicht, wenn du stirbst. Wir legen dich auf den Kompost und sobald die Würmer dich gefressen haben, machen wir Erbsen aus dir.‘“

Nach „Lulu in der Mitte“ geht es in dem neuen Bilderbuch von Friemel und Gleich um das jüngste Kind der bereits bekannten Familie und den Abschied von einem geliebten Familienmitglied. Über das „Danach“ gibt sich Leonor selbst eine mögliche Antwort, die sie mit ihrer „Oma Erbse“ zusammen weiterspinnt. Der Komposthaufen wird dabei zum Sinnbild für den ewigen Kreislauf des Lebens.

Friemels an Leonor gebundener Text besticht durch knappe überschauende Sätze und viele Dialoge, worin sich kindliche Spontanität, naive Weltsicht der Protagonistin und deren Leben im Hier und Jetzt spiegeln. Hilfreich auch für die Mutter, die den Spagat zwischen „Mamasein“ und der Trauer um die eigene Mutter schaffen muss.

Kindlichem Lebensgefühl fühlt sich auch Jacky Gleich verpflichtet. Im Gegensatz zu den eher düster angelegten Illustrationen in „Hat Opa einen Anzug an?“ (DJLP 1998, Text: Amelie Fried), das ebenfalls vom Tod eines Familienmitglieds erzählt, erinnern hier minimalistisch gestaltete, rot-braun-graue Buntstiftillustrationen in Mimik, Gestik und Perspektiven an kindliche Krakelbilder. Jedoch kommen darin trotz komisch-situativer Zuspitzungen der ungeschönte Anblick der Großmutter ebenso authentisch zum Ausdruck wie kindlicher Alltag und Spieltrieb. Beim Krankenhausbesuch turnt Leonor mal eben auf Oma herum, wird zur Piratin und Omas Rollator zum passenden Schiff. Oder es wird mächtig im Kompost gemanscht und grimassenreich über Würmer gestaunt.

In „Oma Erbse“ stellen sich die Eltern u. a. die Frage, was sie ihren Kindern in Bezug auf den Tod der Oma „zumuten“ können. Die offensichtlichste aller Fragen, nämlich was nach dem Tod wirklich passiert, bleibt ungeklärt. Diese Offenheit bietet Anknüpfungspunkte, um mit Kindern ins Gespräch zu kommen, haben doch diese ein großes Bedürfnis, diese „Zumutung“ auszuhalten und darüber – wie Leonor – laut nachdenken zu dürfen

(Der Rote Elefant 40, 2022)