Cover: Mehrnousch Zaeri-Esfahani, 33 Bogen und ein Teehaus

Wahrzeichen der iranischen Stadt Isfahan ist eine 33-Bogen-Brücke, in einem der Bögen befindet sich ein Teehaus. „Pilger aus Isfahan“ bedeutet der Nachname der Autorin, die 1985 als 9-Jährige mit Eltern und drei Geschwistern nach (West-)Deutschland flüchtete.

Das Jugendbuch zeichnet in drei Teilen die Stationen im Iran, in der Türkei, in der DDR und in der Bundesrepublik nach. Prolog und Epilog bilden formal und ideell einen Rahmen: Autobiographisch-rückblickend reflektiert die inzwischen erwachsene Protagonistin, weshalb sie damals die Katastrophe Tschernobyl „verpasste“. Das Schicksal der davon unmittelbar Betroffenen geht ihr deshalb besonders nahe, weil die heutige Geisterstadt Pripjat an einem Fluss liegt. Flüsse aber sind ihr ein Symbol für Leben und Freiheit. Daher leitet sie jedes Kapitel mit einer (kursiv gedruckten) poetischen Beschreibung der Flüsse ein, die auf dem Fluchtweg lagen. Die Binnenerzählung gelingt Zaeri-Esfahani konsequent aus Perspektive des Kindes Mehrnousch, bis ins kleinste Detail sinnlich-authentisch, fesselnd und berührend: Modernes Großstadtleben und enge Familienbande; ins Persönlichste eingreifende Veränderungen nach Machtergreifung des neuen, religiösen „Führers“; abrupter Entschluss und unvorhersehbare Zwänge bei der heimlichen „Ausreise“; teils unsägliche Bedingungen und interkulturelle Konflikte in verschiedenen Flüchtlingsheimen; schließlich die – im doppelten Sinne – überraschende „Ankunft“ im künftigen Heimatort Heidelberg. Dem schlicht realistisch Erzählten verleihen kindliche Naivität, Neugierde und Fantasie Leichtigkeit und Humor.

Das Buch illustrierte der Bruder der Autorin. Sein eher einfach gehaltenes farbiges Cover strahlt eine optimistische Stimmung aus. Im Inneren leiten schwarz-weiße Vignetten, die wesentliche Situationen spiegeln oder Requisiten abbilden, die Kapitel (Fluchtetappen) ein.

Die lange zurückliegende Fluchtgeschichte der Zaeri-Esfahani-Geschwister steht pars pro toto für die vieler heutiger Geflüchteter und kann aufgrund der gelungenen literarisch-künstlerischen Verarbeitung auch für ‚Neuankömmlinge‘ Empathie wecken.

(Der Rote Elefant 34, 2016)