Das schaurige Haus
205 Seiten
ab 10 Jahren
€ 12,95

Schon auf den ersten beiden Seiten bedient Martina Wildner typische Motive des Genres „Schauergeschichte“: ein abgelegenes, heruntergekommenes Haus mit neuen Mietern, ein nahegelegener Friedhof, ein schrill bimmelndes unheilverheißendes Kapellenglöckchen, zwei zerbrechende Keramikfiguren. Die Figuren stellen die Brüder Hendrik und Eddi dar, die mit den Eltern nach Bayern ziehen mussten, da der Vater in Sachsen keine Arbeit fand. Kaum eingezogen, ist Eddi auf eigenartige Weise von Schnecken fasziniert und wird zum Schlafwandler. Während seiner merkwürdigen nächtlichen Zustände zeichnet er wie fremdgesteuert Schnecken an die Zimmertapete. Doch das ist nicht das Einzige, was die Familie erwartet: die Kontaktaufnahme zu den Kindern des Dorfes erweist sich als schwierig, mit Ausnahme von Chris, der „a kloinar Siach“ ist und Hendrik offen drangsaliert. Auch die Nachbarn reagieren auf einen Antrittsbesuch frostig-zurückhaltend. Doch dann taucht Ida auf, ein Mädchen aus Hendriks Klasse, das sich ihm neugierig zuwendet und direkt offeriert: „Weißt du eigentlich, dass du in einem Spukhaus wohnst?“. 30 Jahre zuvor wurden dort zwei Kinder ermordet, starben an einer Pilzvergiftung. Es waren Brüder, haargenau im Alter von Hendrik und Eddi, Zugezogene aus Rumänien. Und sie hießen – Schneckmann. Zufall? Von nun an widmet sich Hendrik der detektivischen Erforschung des Falles, unterstützt von Mitschüler Fritz. Dank Eddis „Schlafwandelei“ stößt Hendrik nicht nur auf eine Geheimkammer und ein altes Tagebuch, sondern löst auch das Geheimnis der Vergangenheit. Schließlich ist es an Medium Eddi, den Tod eines weiteren Kindes zu verhindern …

Wildners Ich-Erzähler Hendrik blickt auf die Ereignisse in Bayern zurück. Sein Bericht erfolgt zwar mit gewisser Distanz, bezeugt aber trotzdem sein damaliges Hin- und Hergerissensein: Waren es Hirngespinste oder lauerte wirklich Gefahr? Einerseits gab es immer wieder rationale Erklärungen für die merkwürdigen Ereignisse, andererseits war die Möglichkeit des Übersinnlichen nicht auszuschließen. Der Spannungsbogen der unterhaltsam zu lesenden Geschichte, worin auch das Thema „Fremdsein/Ausgrenzung“ mit anklingt, überzeugt: Stück für Stück, mit Hilfe von Zahlen- und Namenskombinationen offenbart sich des Rätsels Lösung. Wildner verknüpft geschickt Spuk-, Kriminal-, Familien- und Freundschaftsgeschichte, schafft Parallelen zwischen den Geschehnissen in Vergangenheit und Gegenwart. So wird es nicht nur Hendrik flau im Magen, wenn die Mutter den Brüdern ein Pilzgericht vorsetzt …

Witzig sind die bairischen Einsprengsel im Text. Im Gegensatz zu Hendrik, der dem Dialekt ratlos gegenübersteht, findet der Leser die „Übersetzungen“ im Anhang.

(Der Rote Elefant 30, 2012)