Kaldhols Jugendromane thematisieren Grenzerfahrungen in der Pubertät. Handelte Allein unter Schildkröten (DJLP-Nominierung 2013, Jugendjury) von einem suizidgefährdeten Jungen, erzählt zweet von Ausgrenzung, Gewalt, Schuld und Sehnsucht nach „Zugehörigkeit als wesentlichem Grundbedürfnis des Lebens“ (Kaldhol). Den Protagonist*innen fehlt Zugehörigkeit, obwohl sie die gleiche (10.) Klasse besuchen. In Erzählblöcken (I – IV) monologisieren sie darüber, was sie quält, wie sie zueinander und der Welt stehen. Monolog I gehört der bienenaffinen Lill-Miriam, die „Asperger“ hat und häufig gemobbt wird. Als vermeintliche Terroristen Lehrer und Schüler abholen, flüchtet sie auf den Schulboden. Ihre Panik resultiert u. a. aus einem früheren Mobbingakt, wobei sie fast ertrank. Auf dem defekten Laptop analysiert sie, wie Menschen – anders als Bienen – aus egoistischen oder ideologischen Gründen die Erde und einander zerstören: „Es wurden zchon immer Menzchen deportiert … Auzgerottet wie braune Zchnekken in einem viel zu gepflegten Garten.“ Ihr Traum: Bedrohte Arten retten – und damit die Welt. Susans Monolog (II) erzählt von Schuld. In der Mobbing-Clique Zugehörigkeit suchend, machte das daheim vernachlässigte Mädchen bei allem mit: „Ein feiger Schisser, ein Nobody. Ich.“ Erst eingeschobene Medienberichte in Monolog II erhellen Lill-Miriams Deportationsphantasien: Schuld war ein Giftgasleck in einer Fabrik, das eine Räumung der Schule nötig machte. Lill-Miriam gilt als vermisst. Im Monolog III spricht der empathische Ruben (Mutter: Kubanerin; Vater: Norweger). Kurz nach der Emigration aus Kuba rettete Ruben die halb ertrunkene Lill-Miriam, woraufhin sich beide emotional annäherten. Im Monolog IV zeigen sich bei der vom Giftgas nichts wissenden Lill-Miriam Vergiftungssymptome. Die Leser*innen wissen, wo sie ist, Ruben nicht, glaubt aber, „dass Du [Lill-Miriam] gefunden werden willst. / Wollen wir das nicht alle?“
Über die Monologstile gestaltet Kaldhol überzeugende Figurenporträts. Die einander nahen Lill-Miriam und Ruben sprechen in poetisch-verdichteter Sprache bzw. reimlosen Versen, wobei Lill-Miriam extremer zuspitzt als Ruben. Susans Prosa-Monolog wird von den Monologen I und III zwar formal bewusst abgegrenzt, Susans kritische Selbstreflexion könnte jedoch die Grenze künftig durchlässiger machen. Auf Lill-Miriams „schräge“ Seiten verweist deren kreativer Umgang mit dem losen Laptop-S, das flugs durch Z ersetzt wird, womit eine gewisse Komik in den Text kommt: „Er [Ruben] hat Honig von meinem Finger gezaugt. Umgekehrter Zaugrüzzel. / Der Honig zchmolz auf zeiner Zunge. / Danach zagte er die Worte: Züß, zweet, dulce. / Mehrmalz.“. Leser*innen, die sich diesem z. T. verwirrenden, symbolisch mehrdeutigen und sprachlich vielschichtigen Jugendroman stellen, dürfen sich der Gruppe von Literaturexpert*innen zugehörig fühlen.
(Der Rote Elefant 36, 2018)