„Sie waren die ersten richtigen Freunde, die ich je gehabt hatte … Wir waren eine Clique, ein Geheimclub, um den uns alle Schüler in Darrow beneideten”. Aber seit dem mysteriösen Tod ihres Freundes Jim vor fünf Jahren hat Ich-Erzählerin Bee jeden Kontakt abgebrochen. Und dennoch erscheint sie zur Überraschung aller auf der Geburtstagsfeier eines ehemaligen Freundes. Nachdem die Clique nach einem Konzertbesuch einen Autounfall scheinbar glimpflich überstanden hat, unterbreitet ihnen ein Unbekannter, dass keiner von ihnen überlebt habe. Sie seien in der Niemalswelt gefangen – einer Endlosschleife zwischen Leben und Tod. Nur einer dürfe überleben. Gemeinsam müssten sie auswählen, wer das sei. Mehrere Abstimmungen führen zu keinem Ergebnis, aber schnell wird klar: Jeder von ihnen hütet ein Geheimnis, das mit Jims Tod zu tun hat, den vor allem Bee aufklären will.
Die US-amerikanische Autorin Marisha Pessl legt als Jugendbuch-Debüt eine Mischung aus Psycho-Thriller und Mystery-Story vor, worin sie Themen wie Schuld und Verdrängung so zuspitzt, dass diese letztlich zur Überlebensfrage werden. Die Ausnahmesituation, in welche sie ihre Figuren stellt, gibt ihr die Möglichkeit, Selbstbilder und Lebensentwürfe an der Schwelle zum Erwachsenwerden zur Diskussion zu stellen. Genretypisch steigert sie die Spannung, jedes Kapitel endet mit einem Cliffhänger und auch eine unerwartete Wendung wird versprochen. So werden Genre-Liebhaber*innen mit Sicherheit an der Seite von Bee der Lösung des Rätsels um den Tod des Freundes entgegenfiebern und mit ihr jeden vorgestellten Charakter analysieren. Aufgrund der Sprache bzw. Bees Erzählstimme fällt jedoch Pessls Roman leicht aus dem Rahmen herkömmlicher „Page-Turner“ (s. Verlagswerbung). Viele bildhafte Vergleiche und anspruchsvolle Satzkonstruktionen verlangen genaues, gründliches Lesen, schulen assoziatives Denken und ein Gefühl für literarische Gleichnisse. „Natürlich dachten sie an ihn (Jim) … Trotzdem war er wie der verschlossene Schuppen auf dem verfallenen Anwesen, zu dem sich niemand hintraute, ganz zu schweigen davon, durch die schmutzigen Scheiben hineinzusehen.” Innerhalb der Zeitschleife differenzieren sich Bees Einschätzungen über die anderen, die Charaktere entfalten sich zunehmend komplexer, sodass „Niemalswelt“ auch als Adoleszenz-Roman gelesen werden kann.
Für einen Gruppeneinstieg böte sich die Abstimmungssituation im Sinne einer Provokation an. Anhand ausgewählter Texte, welche die Cliquen-Mitglieder vorstellen, soll entschieden werden, wer überleben darf …
(Der Rote Elefant 37, 2019)