Simpel ist 22 Jahre alt und spielt gerne mit Playmobil-Figuren. Und er hat einen Stoffhasen, Monsieur Hasehase, aber das ist nicht einfach nur ein Stofftier – er kann sprechen und Simpel Tipps geben, wenn der sich seiner Sache nicht ganz sicher ist. Monsieur Hasehase muss überall mit hin. Und er ist eine wunderbare Ausrede: „Ich bin’s nicht, es ist Monsieur Hasehase!“. Eigentlich heißt Simpel Barnabé und hat die geistige Entwicklungsstufe eines Dreijährigen,  – an guten Tagen wirkt er wie dreieinhalb. Keine leichte Aufgabe für den 17-jährigen Bruder Colbert, sich um Simpel zu kümmern. Die Mutter lebt nicht mehr und der Vater kommt mit Simpel nicht zurecht. Colbert steht im letzten Jahr vor dem Abitur, doch die einzige Alternative für Simpels Betreuung ist eine geschlossene Anstalt, und das kommt für Colbert nicht in Frage. Als die beiden in eine Studenten-WG ziehen, steht diese innerhalb kürzester Zeit Kopf. Simpel als die Person mit dem kindlichen Blick auf die Welt zeigt den jungen Erwachsenen mit seiner unbedarften und direkten Art, was wichtig ist, was sie selbst eigentlich wollen und wer sie sind. Er lässt sie Dinge tun, an die sie vorher nicht zu denken gewagt hätten, und als Simpel die WG wieder verlassen soll, erkennen alle, auch sein Bruder, welche Bereicherung er war.

Marie-Aude Murail ist es gelungen, das Thema „geistige Behinderung“ auf eine warmherzige und vorwiegend witzige Weise umzusetzen, ohne diesem die Ernsthaftigkeit zu nehmen oder platt zu werden. Auch Simpels Umfeld „stimmt“ und die Probleme der Studenten fügen sich nahtlos in Simpels Problematik ein: Jeder ist auf der Suche nach der ersten Liebe und dem „richtigen Weg“ im Leben überhaupt.

Murail hat ein wunderbares Buch geschrieben, das in seiner Beiläufigkeit wie eine Geschichte wirkt, „die das Leben schrieb“ und das sind bekanntlich die spannendsten überhaupt.

Als Einstieg in die Arbeit mit dem Buch bieten sich Textausschnitte an, um die Hauptpersonen kennen zu lernen. Den Personen könnten dann Altersangaben zugewiesen werden. Wie alt ist Simpel?

(Der Rote Elefant 25, 2007)