Auf den (aller)ersten Blick scheint es sich um ein ganz einfaches Bilderbuch zu handeln, in dem des Lesens unkundige Kinder mit dem Finger auf etwas zeigen können, das anders ist als die anderen scheinbar gleichen Dinge: Fische, Blumen, Schlüssel … Gleichzeitig könnte es sich aber auch um einen hochkomplexen, nonverbalen Intelligenztest handeln, bei dem kulturübergreifend nach dem odd-one-out-Verfahren Denkfähigkeiten analysiert werden. Systematisch gesehen, geht es nämlich um ganz unterschiedliche Abweichungsmerkmale – mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden – und es ist fast schade, dass auf der letzten Seite die Auflösungen gezeigt werden. Besser wäre es, wenn man irgendwo hängen bliebe, die Nuss aber auf jeden Fall selbst knacken muss. Dabei ist es schon lustvoll, die in starken, kontrastiven, aber abgestimmten Farben gemalten Seiten wiederholt aufzuschlagen.

Zusätzlich zu den visuellen Suchspielen wird auf jeder Seite in einer anderen Sprache (und Schrift, die aber in lateinischen Buchstaben phonetisch übertragen wird) die Frage „Kannst du mich finden?“ wiederholt. Für Leseanfänger ein erster Vorstoß in eine fremde Sprache – bei arabischen Kindern etwa auch die Freude, die eigene zu finden – und eine Begegnung mit den wundervollen Schriftbildern des Chinesischen, Arabischen, Hebräischen oder Hindi. Die Autorin ist in Indien geboren, einem Staat, der durch die Vielfalt seiner Ethnien und Sprachen unvergleichlich ist. Wenn dann schließlich noch mit Kindern darüber nachgedacht wird, was es heißt, „Ich bin einmalig“ zu sagen (oder nach dem Originaltitel auf Englisch „I’m different“ mit einer noch mal abweichenden Bedeutung), ist eine anthropologisch /philosophische Ebene erreicht. Ohne alle schlauen Erklärungen und Kommentare. Warum ist vorher niemand auf diese Idee gekommen?

(Der Rote Elefant 25, 2007)