Mit diesem Buch gerät das ermüdende Aufzählen von 1 bis 100 zum Vergnügen, weil die Zahlen mit ganzseitigen Bildern verbunden und die wiederum zu einer Geschichte zusammengefügt werden können. Material dafür bieten leuchtend eingefärbte Figuren, Orte und Requisiten sowie kurze erzählende Sätze, charakterisierende Halbsätze oder beschreibende Wörter. Es liegt ganz im „Auge des Betrachters“ und in seiner Fantasie, ob die Geschichte so beginnt: In einem Wald zwischen zwei Bergen leben je Berg drei Bären. Wenn die hinunterrutschen, strecken sie ihre vier Pfoten in die Luft. Mag sein, sie tun es, weil es fünfmal am Tag Honig gibt. Als die sechs Bären gerade sieben Fliegenpilze gefunden haben, tauchen acht Jäger auf. Von da an beginnt eine temporeiche Flucht. Die Bären stören ein Essen von 16 Gästen (die schon bekannten 8 Jäger mit Damenbegleitung), feiern ein wildes Fest am 31., mit 37 oder 38 Teilen Konfetti, kriegen 39 Grad Fieber und besuchen nach turbulenten Bühnenauftritten im Theater 55 Tiere einer Safari. Irgendwann führen 90 Bienen die acht Jäger zu den sechs Bären … Versöhnung feiert man bei 91 Stück Honigkuchen mit 92 Zuckerperlen und die Bären kehren zurück in ihren Wald mit den 100 Bäumen. Und das Ganze beginnt von vorn oder rückwärts (er)zählend.
Magali Bardos legt nur scheinbar ein der Mathematik (Zahlen und Mengen) verpflichtetes Bilderbuch vor. In Wirklichkeit entführt sie die Betrachter an Geschichtenorte und verwickelt sie gekonnt in aben-teuerliches Geschehen um sechs Bären und acht Jäger. Die französische Künstlerin verwendet für ihre Skizzen Pinsel, schwarze Gouache und weißes Papier. Damit variiert sie die Stärke ihrer Striche nach Belieben. Diese Skizzen scannt sie ein, denn sie bilden die Grundlage für die digitale Ausgestaltung der Flächen. Die Farben ihrer Palette sind Blau, Braun, Grün, Lila, Orange, Pink, Rot, Schwarz und Weiß. Mal färbt sie eindeutig, mal mischt sie zwei oder drei Farben, hellt mit einer vierten auf oder lässt durch eine fünfte wieder neue Töne entstehen. Während sich zahlreiche andere Zählbücher auf 1 bis 10 beschränken, erweitert Bardos ihren „Spiel“raum auf 100 und weiß diesen einfallsreich zu füllen. Ihr Buch verlockt auf mehreren Ebenen zum vergnüglichen, kreativen Tun: Zählen und Erzählen, Inszenieren und Konturieren, Einfärben und Ausmalen …
(Der Rote Elefant 32, 2014)