„Eigentlich wollten die Frau und der Mann … Blumenkohl pflanzen“. Sturm und Regen hinderten sie daran. Wegen eines Lochs im Dach bauten sie sich ein neues Haus am See. „Der Blumenkohl musste warten.“ Beim zweiten, stärkeren Unwetter versahen sie das Haus mit Rädern und zogen es samt Haustieren auf einen Berg. Wieder fiel das Blumenkohlpflanzen aus. Nach dem dritten Unwetter – „Alles war See“ – nahmen sie zu den Haustieren noch Tiere aus Wald und Feld auf. Das Haus fuhr als Schiff davon und erreichte neues Land: „Sie fanden wieder einen Anfang.“ Eine fliegende Taube brachte das Paar auf die Idee, dem Schiff demnächst Flügel anzubauen. Der Blumenkohl könne warten …

Thema der gleichnishaften, altersoffenen Geschichte ist kein geringeres als gelingendes Leben: Immer wieder verlangen veränderte Umstände, Pläne aufzugeben, Aufbrüche zu wagen und Neuanfänge zu suchen. Grundtenor des Textes ist ein optimistisch-ermunternder: Durch Anpassungsbereitschaft, Einfallsreichtum und Zusammenstehen werden Träume wahr. Der Subtext lässt zusätzlich viel Raum für Assoziationen und Interpretationen. Erwachsenen kommen Sintflut und Noahs Arche in den Sinn sowie durch den Klimawandel bedingte reale Gefahren. Jüngeren Leser*innen ab 6 (die Verlagsempfehlung „ab 4“ betrifft wohl nur Textmenge und -struktur) vermittelt sich über die klare, in drei Schritten geführte Handlung der ‚Ernst der Lage‘, wobei ihre Phantasie angeregt wird, sich Aus- wege auszu„malen“.

Die aus Sankt Petersburg stammende, heute in Hamburg lebende, Illustratorin und Trickfilmanimatorin Sonja Bougaeva fügte Lorenz Paulis beinahe lapidarem, in knappen Sätzen poetisch verfasstem Text bereichernde Bilder hinzu. Ihre großformatigen, ganzseitigen Tableaus sowie kleinere, zwischen Textabsätze gestellte Zeichnungen machen Räume plastisch, wechseln Perspektiven und füllen durch ‚sprechende‘ Einzelheiten Leerstellen im Text. Dunklere und helle Farbakzente in Braun und Blau bekräftigen bedrohliche und hoffnungsvoll-heitere Passagen. Die vornehmlich flächig gearbeiteten Darstellungen von Figuren und Interieur wirken puppenspiel- oder trickfilmhaft, was den spielerisch erdachten Charakter des Gesamtkunstwerkes unterstreicht. Dementsprechend eignen sich altersgemäße Vorstellungs- bzw.  Nachdenk-Spiele, um zum Buch hinzuführen oder weiterführend zu fragen: Was wäre, wenn … / Was tun, wenn … ?

(Der Rote Elefant 37, 2019)

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