Ein bisschen wie du / A little like you
Illustration: Christine Aebi
64 Seiten
ab 8 Jahren
€ 23,00

Welches ist das richtige Erinnerungsstück? Vor dieser Entscheidung steht die ca. 10-jährige Terry nach dem Tod der 50-jährigen Freundin Mom Chioma. Denn noch einmal kommen alle Freunde zusammen, um Abschied zu nehmen und ein Erinnerungsstück auszusuchen. Für Terry erinnert alles in der originellen Wohnung an die schönen Stunden, die sie mit Chioma verbrachte: mit Scrabblespielen, Skypen mit Verwandten in Freetown oder Lagos oder einfach Quatschmachen. Kostbar sind Chiomas kleine Geheimnisse und Geschichten: Als Kind zog sie stets verschiedene Socken an und trug unterm Kleid heimlich Boxershorts.

Durch die Freundschaft mit der als junge Frau nach Österreich eingewanderten Afrikanerin hat Terry viel erfahren: über das Ankommen in der Fremde, gelebtes „Anderssein“, den Kampf gegen eine lebensbedrohende Krankheit, aber vor allem über die Freude zu leben.

Ein wichtiges Bindeglied zwischen beiden war die Liebe zu Design und Mode. Gemeinsam entwarfen sie die gurkenförmige Anziehpuppe Didi: „die erste Wiener Wollpuppe mit einem ausgeprägten Sinn für Modefragen“. Dieser Aspekt ihrer Beziehung zeigt sich besonders in den farbenprächtigen Bildkompositionen. Zentrale Elemente darin sind Stoffballen, Kleidung und Schuhe, gestalterisch umgesetzt durch verschiedene Arten bedruckter Papierstreifen sowie Wachskreide und Buntstiftzeichnungen.

Der Mix von Collagen, Zeichnungen und grafischer Setzung der Texte ergibt eine turbulent-dichte Seitengestaltung, welche auch etwas vom Charakter der Verstorbenen vermittelt. Demgegenüber stehen leere Flächen, manches bleibt skizzenhaft – Sinnbild für die Flüchtigkeit des Lebens. Ein ambivalentes Gefühl zwischen Abschied, Trauer und leichter Komik erzeugt Chiomas Kleidung, bedruckt mit deren Toaster oder Skates. Am Ende schlüpft Terry in die Anziehsachen der Freundin hinein: „Ein bisschen wie du / A little like you“. Ein Vermächtnis. Als Liebeserklärung und Erinnerung an die  verstorbene Wiener afro-queere Feministin Linda Nkechi Louis schuf das Autorinnenkollektiv ein Gemeinschaftswerk mit deutschem und englischem Text, wobei der deutsche Text distanzierter bleibt als der englische. Im Sinne von „Differenz“ wurde auf eine wörtliche Übereinstimmung verzichtet. Entstanden ist ein philosophisch und künstlerisch anspruchsvolles Kinderbuch für (zweisprachig versierte) Vor- oder Erstleser*Innen. Um die Buchaspekte „Erinnerung“ und „Kreativität“ zu verknüpfen, könnten Kinder Erinnerungs-Collagen an verstorbene Familienmitglieder, Freunde oder Tiere gestalten oder neue Didi-Kleidungsstücke entwerfen, wie sie einst Chioma und Terry schufen.

(Der Rote Elefant 37, 2019)