Cover: Lane Smith, Großvaters Bäume

Kann ein Garten das ganze Leben eines Menschen abbilden und damit an ihn erinnern? Der preisgekrönte US-amerikanische Autor und Illustrator Lane Smith geht in vorliegendem Bilderbuch dieser interessanten Frage nach. Er illustriert das Leben eines Urgroßvaters anhand von gestalteten Bäumen, Büschen und Hecken und schafft damit Erzählimpulse für dessen Urenkel: „Er wurde vor langer Zeit geboren, als es weder Computer noch Handys noch Fernseher gab. Er wuchs auf einem Bauernhof auf mit Schweinen, Karotten, Kaninchen und mit Eiern …“. Im Folgenden begleitet der Betrachter den erzählenden Urenkel bei einem Spaziergang zwischen großen Hecken, wie man sie auch in Schlossparks findet. Aber die Hecken haben merkwürdige Formen. Manche sehen aus wie Karotten, Hühner, andere wie Helden aus Kinderbüchern oder Fallschirmspringer. Auf seinem Weg findet der Junge immer wieder Gegenstände, die der Urgroßvater zurückgelassen hat, denn er „vergisst manchmal Dinge, wie zum Beispiel seinen Strohhut.“ Allerdings: „… alles Wichtige erinnert für ihn der Garten.“ Später zieht der Junge einen kleinen Bollerwagen voll mit den vergessenen Utensilien hinter sich her, die nun wohl neben dem Garten wichtige Erinnerungsstücke sind. Auf der letzten Seite schließlich setzt der Junge dem Urgroßvater quasi ein Denkmal, indem er selbst eine Hecke in Form des Urgroßvaters zurechtstutzt.

Die Farbe Grün dominiert, was bei einem „Garten“-Buch nicht überrascht (Originaltitel: „Grandpa Green“). Die Vorliebe des Autors für Pflanzen und seine Liebe zu Details sind unübersehbar. Da Urgroßvater auch mal klein war und vor bestimmten Krankheiten wie Windpocken nicht gefeit, findet sich ein Busch im Buch, der mit seinen knallroten Beeren sofort ins Auge sticht. An seine Weltkriegserfahrungen erinnern Gewächse in Form einer Kanone und eines Kriegsflugzeugs. Manche Bildideen wirken assoziativ-gleichnishaft, etwa wenn Lane zum oben genannten Text über das Vergessen eine Hecke in Form eines Elefanten gestaltet. Das für sein grandioses Gedächtnis bekannte Tier ist bereits auf dem Cover zu sehen, was auf das zentrale Thema des Buches „Erinnerung“ vorausweist. Ähnlich verhält es sich mit der Illustration eines Labyrinths, die mit der Erzählung des Jungen über Urgroßvaters Ehe korrespondiert, die angeblich „viele glückliche Jahre“ dauerte. Die Illustrationen, ein Mix aus Schwarz-Weiß-Zeichnungen und farbenprächtigen Bildern, laden zu vielen Entdeckungen und zum Erzählen ein. Dabei halten die assoziativen Bildangebote einige Rätsel bereit, die für eine Bucheinführung nutzbar wären: Kinder dürften über das Wesen des Elefanten oder die „Beeren“-Krankheit ins Grübeln kommen, Erwachsene über die Sache mit der Ehe als Labyrinth … Der Rückentext sollte dabei besser nicht verwendet werden, da er zu viel über das Buch verrät.

(Der Rote Elefant 35, 2017)