„Still wartet der Wald, bis der Frühling kommt … Das jüngste Hasenkind hat den Frühling noch nie gesehen.“ Im Frühling, so verspricht die Mutter, werde es auf Bäume klettern können wie die größeren Geschwister, das Frühstück werde abwechslungsreicher und die Welt färbe sich grün. Als der kleine Hase eines Morgens ein Geräusch vernimmt, das er für den Frühling hält, verlässt er – wie Hänschen Klein – voller Neugier das Haus. Er trifft einen freundlichen Eisbären, dem er seinen Wunsch unterbreitet, endlich groß zu sein und den Frühling zu sehen. Durch die Hilfe des großen Freundes kann der Kleine auf einen Ast hüpfen, den ganzen Wald überblicken und sogar das Meer sehen. Aber weiß das Hasenkind nun, wer oder was der „Frühling“ ist oder hält es eher den Eisbären für den Frühling?
Das Debüt des Künstlerpaars Ko und Chiaki Okada spiegelt die kindliche Sehnsucht nach „Größerwerden“, die Neugier, etwas Neues zu lernen und erzählt von Freundschaft zwischen sehr ungleichen Partnern. Der an die Gedankenwelt des Kleinen gebundene Text, häufig unterbrochen durch knappe Dialoge innerhalb der Hasenfamilie bzw. zwischen Eisbär und Hasenkind, wirkt durch die Kürze kindlich-naiv und alltagsnah. Die emotionale Wirkung des Textes, welche auf Identifikation mit dem Hasenkind zielt, wird durch zarte Blei- und Buntstift-Zeichnungen vertieft. Sowohl der braungetönte Hasenbau als auch die weiß-graue Winterlandschaft strahlen eine ruhig- harmonische Atmosphäre aus. Leiser Humor zeigt sich in der Mimik der Figuren, in Körperhaltungen, Perspektiven und Größenverhältnissen, insbesondere zwischen den ungleichen Freunden. Viele Erlebnisse des Kleinen werden nur im Bild erzählt. Sei es auf einer Doppelseite, wo sich der Kleine, abseits der schlafenden Geschwister, sehnsüchtig zum Fenster reckt oder wenn er in einer Bildfolge mehrere Hüpfer versucht, um letztlich traurig zum Baum hochzublicken, wo die Geschwister von „oben herab“ hinuntersehen. Das Gefühl der Hoffnung bleibt in Text und Bild jedoch durchgängig präsent, was auch ein Vergleich der letzten mit der ersten Seite belegt, womit die Geschichte des kleinen Hasen nochmals an Bedeutung gewinnt.
Zur Bucheinführung könnten Kindergartenkinder gefragt werden: „Bist du der Frühling?“ Je nach Reaktionen könnte das Rollenspiel fortgeführt oder in allgemeine Fragen zum Frühling übergeleitet werden. Das Hasenkind der Geschichte weiß offenbar nichts über den Frühling. Woran könnte das liegen? Der Buchinnendeckel mit Winterlandschaft gibt einen ersten Hinweis.
(Der Rote Elefant 37, 2019)