Kissing the Rain
Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn
413 Seiten
ab 13 Jahren
€ 12,00

„Was tust du, wenn alles, was du tun kannst, verkehrt ist?“ Der 15-jährige Moo steht genau vor dieser Frage: Durch Zufall ist er Zeuge eines Mordes geworden, eines Mordes, der dem Schwerverbrecher Keith Vine in die Schuhe geschoben werden soll. Moo könnte Vine entlasten – „WAHRHEIT = schlimm“. Oder er könnte lügen und ihn ins Gefängnis bringen – „LÜGEN = gut“. Doch Moos Dilemma wird schnell mehr als ein moralisches, nämlich eine Frage von Leben und Tod. Denn beide Seiten – Verbrecher und Polizei  – setzen den Jungen unter Druck, bedrohen ihn und seine Familie – „Schlimm = schlimm = gut = schlimm = was?“. Moo hat eine Idee, wie er dem Dilemma begegnen kann. Ob er aber seinen Plan umsetzen wird, erfährt der Leser nicht.

Der preisgekrönte Jugendbuchautor Kevin Brooks hat mit „Kissing the Rain“ wieder einen packenden Roman geschrieben. Dieser fesselt nicht nur aufgrund des brisanten Plots, sondern vor allem durch die schonungslose Nähe, die er zwischen Leser und Hauptfigur herstellt. Letzterer ist mehr als ein klassischer Ich-Erzähler. Über 400 Seiten lang ist Moos Monolog, einem stream of consciousness gleich, in den der Leser gezogen wird. Der Monolog ist mehr als ein Versuch, die WAHRHEIT dieser verworrenen Geschichte zu erzählen. Moo will sich selbst endlich vom Druck befreien, einem Druck, der seit Jahren auf ihm, dem 110kg schweren, unglücklichen und einsamen Mobbingopfer lastet: „Du willst die WAHRHEIT wissen? Ich sag dir die WAHRHEIT – ich hab die Schnauze voll. Die Schnauze voll von dem ganzen Scheiß mit FETT-Sein, von Callan und Vine und der Brücke, der Autobahn, den Wagen, den Blicken, den Worten den Lügen … SCHEISSE.“ Verschriftung von mündlichem Erzählen, Slang, Assoziationen, verschiedene Typografien, die Metapher des Regens für all die Angriffe auf Moo – all dies schafft eine beeindruckend anschauliche Atmosphäre, die dem Dilemma, in dem sich Moo befindet, entspricht.

Einen wunderbarerer Zugang zum Roman bieten einzelne Zitate. So könnte eine Gruppe sich der Figur Moos nähern, eine andere sein familiäres, eine dritte sein schulisches Umfeld beleuchten: Wer spricht da? Wie steht die Figur zu ihren Eltern? Was geschieht in der Schule? Die besondere, anspruchsvolle und doch für Jugendliche zugängliche Schreibweise legt nahe, Schreibprozesse bei den Jugendlichen anzuregen und sie selber in die Figur des Moo schlüpfen zu lassen.

(Der Rote Elefant 25, 2007)