Ellie & Oleg
Außer uns ist keiner hier
Illustration: Heike Herold
240 Seiten
ab 9 Jahren
€ 16,00

„Außer uns ist keiner hier“ beschreibt die Ausnahmesituation, in der sich die Stiefgeschwister Ellie und Oleg befinden, ziemlich genau. Der Rest der Patchwork-Familie ist nach Berlin gefahren, um Erledigungen zu tätigen, und die zwei durften daheimbleiben. Die Stimmung kippt, als die Familie zur vereinbarten Zeit nicht zurück ist. Ellies und Olegs Leben steht allerdings schon seit Monaten auf dem Kopf: „Das große P geht um.“ Die Geschichte spielt mitten in der Coronapandemie und die Familie hat sich in ihre rustikale Hütte auf dem brandenburgischen Land zurückgezogen, um dem Virus zu entgehen. Nun ist die direkte Nachbarin nicht aufzufinden und Ellies Smartphone als einzige Kommunikationsmöglichkeit verschwunden. Auf der Suche nach Hilfe schlagen sich die beiden durch die brandenburgische ‚Prärie‘, so dass sich das Buch im Handlungsverlauf zu einem regelrechten Abenteuerroman entwickelt. Dessen scheinbar auswegloses Szenario, untersetzt durch pandemiebedingte ‚Zäune‘, bietet jedoch umso mehr Spielraum für Herausforderungen und Bewährungen. 

Die 12-jährige Ellie, welche die Geschehnisse aus der Ich-Perspektive schildert, sieht sich in Anbetracht der Umstände weniger in der Rolle des Kindes, sondern übernimmt Verantwortung für sich und den 8-jährigen Stiefbruder. Kursiv hervorgehobene Gedankengänge ermöglichen Leser*innen einen direkten Zugang zu Ellies Gefühlswelt und stehen oft im Widerspruch zu dem, was sie Oleg gegenüber ausspricht, um ihm Ängste zu nehmen. Aber auch Oleg beweist Verantwortungsbewusstsein. Als Ellie erkrankt, sind die Rollen plötzlich vertauscht. So geben beide einander Halt und Trost und meistern fast jede Situation mit kindlichem Einfallsreichtum. Darf der Herd laut Eltern nicht benutzt werden, kommen die Eier eben in den Wasserkocher.

Trotz des Ernstes der geschickt konstruierten Situation gelingt es Ludwig, die Geschichte mit kindlicher Leichtigkeit und feinem Humor zu erzählen, etwa, wenn Olegs „Survivalkit“ mit stumpfem Kindermesser und fehlendem Kompass nicht gerade hilfreich ist. Mit ihren in Alter, Geschlecht, Denken, Fühlen und Handeln sehr verschiedenen Figuren bietet Ludwig den Leser*innen differenzierte Identifikations- und Distanzierungsspielräume und regt damit gleichzeitig zum Nachdenken über eigene Handlungsmöglichkeiten in Ausnahmesituationen an, was Erfahrungen mit der Pandemie mitdenkt.

Darüber könnte vor einer Buchvorstellung gesprochen und dann weiterfantasiert werden. Wie findet man z. B. nur mit einem Kompass ausgestattet (ohne Smartphone!) die Richtung und was gehört auf eine Liste für ein „Survivalkit“?