Roter Elefant
Alles wird gut, immer
Illustration: Julie Völk
Aus dem Niederländischen von Meike Blatnik
144 Seiten
ab 10 Jahren
€ 14,00

Sommer 1914; Ypern, Belgien: Gerade erst hat Alice, mittlere Tochter einer siebenköpfigen Familie, sich über „das schönste Geschenk der Welt“ gefreut – einen aufklappbaren Blechglobus „mit allen Ländern darauf“ – und sich mit ihrer Freundin Johanna unbekümmert beim Kirmesfest vergnügt. Doch nun kommen Flüchtlinge aus von den Deutschen besetzten Landesteilen, gefolgt von Kanonendonner und  Kolonnen marodierender Soldaten. Die Lebensmittel werden knapp. Ein Fluchtversuch der Familie scheitert, also versuchen alle „normal“ weiterzuleben. Doch Bombardierungen, bei denen die Mutter stirbt, machen einen „sichereren“ Ort notwendig. Die Familie erreicht ein Kloster, in dem die verletzten älteren Geschwister gepflegt werden, aber der Vater erkrankt. Alice soll allein mit den beiden Jüngeren nach La Chartreuse de Neuville (Frankreich) weiterziehen und dort auf die restliche Familie warten … Nach Kriegsende gräbt sie zu Hause ihre unter einem Apfelbaum versteckten Schätze aus. Der Blechglobus enthält die wertvollsten: ein Foto der Familie, auf dem noch alle zusammen waren, und Briefe ihrer (wiedergefundenen) Freundin.

Was als Kindern kaum zumutbarer Lesestoff anmutet, ist es dank kunstvoller literarischer Verarbeitung keineswegs. Vereecken gelingt es, sich stimmig in die knapp 12-jährige Heldin zu versetzen, konsequent deren Perspektive einzunehmen und sie ausgesprochen lebendig erzählen zu lassen. In leicht zugänglicher, poetischer Sprache, die ein feiner, nicht selten sogar Lachen hervorrufender Humor durchzieht, schildert Alice jeweils genau beobachtete Umwelten (Mitmenschen, Alltags- und Kriegserlebnisse), macht sich zu diesen ihre verschmitzt-naiven Gedanken und gibt offen teils ambivalente Gefühle preis. Als Leitmotiv fungiert das im Buchtitel aufgegriffene mütterliche Mantra:
„Am Ende wird immer alles gut“. Dazu lautet Alice‘ Kommentar: „Das ist die liebenswerteste Lüge, die ich kenne.“

Laut Nachwort nutzte die Autorin für ihren Text Lebensgeschichten „echter Menschen“. Dass dieses Antikriegsbuch trotzdem weitgehend  zeitlos wirkt, liegt auch daran, dass Vereecken historische Fakten des Ersten Weltkriegs (selbst die Ausgabe von Gasmasken an Kinder) behutsam behandelt und nahezu beiläufig einflicht. Mit ihren zarten, zugleich altertümlich wie neuzeitlich wirkenden Bleistiftzeichnungen  und Vignetten an jedem Kapitelanfang unterstützt die Illustratorin sie darin meisterhaft. Buchtitel und im Buch wiederkehrende Coverabbildung mit Flüchtlingen wären geeignet, mit Kindern darüber nachzudenken, worum es in diesem Buch gehen könnte.

(Der Rote Elefant 39, 2021)