Louisianas Weg nach Hause
Aus dem amerikanischen Englisch von Sabine Ludwig
208 Seiten
ab 9 Jahren
€ 12,95

Eines Nachts wird die 12-jährige Louisiana von Granny geweckt, um mit dem Auto von Florida in Richtung Norden zu fahren. Laut Granny ist es Zeit, einen seit Langem auf der Familie lastenden „Entzweiungsfluch“ zu brechen. Worum es eigentlich geht und wie das geschehen soll, verrät Granny nicht. Bald schon stranden beide in einem Motel namens „Good Night“. Eine notwendige Zahnbehandlung verbraucht alle Geldreserven, zwingt aber nun die resolute alte Frau fiebrig ins Bett. Louisiana muss sich selbst helfen: Als Sängerin auf Beerdigungen arbeitet sie die Hotelschulden ab, macht Bekanntschaft mit eigenwilligen Kleinstädtern und lernt den gleichaltrigen Burke kennen, der mit einer dressierten Krähe umherzieht und gern der Schule fernbleibt. Als Granny plötzlich aus dem Motelzimmer verschwindet und ein von ihr zurückgelassener Brief Louisianas Identität von Grund auf in Frage stellt, erweist sich Burke als wichtiger Verbündeter.

„Ich werde nun alles aufschreiben, sodass jeder erfährt, was mit mir passiert ist.“ So beginnt der Text und markiert sofort die selbstbewusste  Erzählstimme einer rebellischen Heldin. Louisianas Geschichte, angesiedelt am Ende der 1970er Jahre, ist die Fortsetzung von „Little Miss Florida“ (dtv junior, 2018), worin aus Sicht deren bester Freundin Raymie erzählt wird, von der sich Louisiana nicht verabschieden konnte.  Rückblickend und Lesende direkt mit „Du“ ansprechend berichtet die Waise Louisiana von sich überschlagenden Ereignissen während einer geheimnisumwitterten Reise, die sich als Trip zur Wahrheit über die eigene Herkunft entpuppt. Ausgerechnet die Frau, deren (Lebens)Lügen dabei offenbar werden und die von ihr liebevoll Granny genannt wird, dient der Heldin als Vorbild für mutiges, selbstbestimmtes Handeln.  Genau beobachtend und mit originellem Witz entlarvt die Erzählerin zweifelhaftes Verhalten der Erwachsenen, ist aber auch in der Lage, menschliche Schwächen einfühlsam nachzuzeichnen. Auf diese Weise schafft DiCamillo große Nähe zu einer Protagonistin, die in  unkonventionellen, potenziell prekären Verhältnissen aufwächst, sich einem scheinbar zwangsläufig unglücklichen Schicksal jedoch widersetzt.

Als Einstieg könnte eine Stationenreise dienen, wobei Louisianas Reise mittels Requisiten und ausgewählter Textstellen räumlich in Szene  gesetzt wird. In Kleingruppen ließen sich diese erkunden, um anschließend einander zu berichten. Dann käme der Abschiedsbrief von Granny ins Spiel, um gemeinsam über einen rätselhaften Satz daraus ins Gespräch zu kommen: „Und vielleicht ist es das, was am Ende zählt, nicht, dass uns jemand abgelegt, sondern dass uns jemand aufgehoben hat.“

(Der Rote Elefant 39, 2021)