Cover: Jürg Schubiger; Der weiße und der schwarze Bär

Wahrscheinlich ist dies das ultimative Bärenbuch, nach dem kaum noch eins kommen kann. Gleichzeitig ist es ein Lehrbeispiel für angehende Grafiker, was alles aus einer einzigen formalen Grundidee, dem Wechsel von Schwarz und Weiß, entstehen kann, wenn jemand seiner Phantasie freien Lauf lässt. Bildtechniken, Typographie, Figuren und Geschichte spielen mit der Idee. Es fängt mit einem Schwarz-Weiß-Leporello nach dem Muster eines Rorschach-Tests an und endet mit einem winzigen Medaillon – so als ob genau dieser Einfall noch vergessen worden wäre – ,  auf dem eine kleine Lampe eine Eule von der Seite beleuchtet, so dass sie von dort weiß und von der anderen Seite schwarz wird.

Erzählt wird von Angstbewältigung. Ein Mädchen berichtet der Mutter, die einfach nur zuhört, erst von einem weißen, dann von einem schwarzen Bären, die nachts bei ihm sind. Die kindliche Phantasie kann nicht nur die Bären erschaffen, sondern auch eine ganze Kinderzimmerwelt, in der Schwerkraft und Perspektiven aufgehoben sind, so dass alle Dinge ein eigenes Leben führen können. Die Illustratorin geht mit diesen Dingen behutsam und sorgfältig um, so dass nichts verloren geht, aber manches immer wieder mal eine neue Bedeutung gewinnt. Zum Beispiel das Polizeiauto, das immer schon da war, aber auf dem unheimlichen Bild mit den Räubern und Dieben auf geheimnisvolle Weise zu leuchten beginnt. Und dann ist alles wieder ganz einfach, wenn das Mädchen den schwarzen Bären aus der Nacht ausgeschnitten hat, sozusagen im weißen Negativ-Bären sitzt, und sich vom Bären verabschiedet. Natürlich ist die Puppe, die dem Mädchen nicht von der Seite weicht, schwarz. Wunderbar!

(Der Rote Elefant 25, 2007)