Bär ist sehr müde und will nichts als schlafen. Nachbarin Ente aber ist hellwach. Kaum liegt Bär im Bett, steht Ente vor der Tür. Sie stürmt herein und sprudelt vor Ideen, was man gemeinsam tun könnte. Bär ist das alles zu viel, die Nachbarin muss gehen. Beim zweiten Anlauf – Bär liegt wieder in Erwartung des ersehnten Schlafs unter der Decke – taucht Ente mit der Bitte um Backzutaten am Fenster auf. Bärs ärgerliches „Du schon wieder!“ hält sie nicht davon ab, in der Küche nach Keksen zu fahnden. Wieder befördert Bär die Nervensäge hinaus. Als der Geplagte endlich eingeschlafen ist, stupst ihn ein Entenflügel an die Nase. Vor Schreck schreit Bär so laut auf, dass die Federn fliegen. Die Schnatter-Erklärung über eine angebliche Schnabelverletzung, die den Einsatz des Zweitschlüssels nötig machte, hilft nicht. „Ich sagte, gute Nacht!“ brüllt Bär. Ente gibt auf, aber Bärs „schlechte Laune“ habe sie ganz schön müde gemacht. Ganz im Gegensatz zu Bär!
(Nicht nur) die Kleinsten werden an dieser klar dreistufig gegliederten Dialog-Geschichte ihre Freude haben, wobei die gestische und mimische Gestaltung der vermenschlichten Figuren das Vergnügen noch steigert. Dazu trägt auch der ironische Umgang mit althergebrachten Geschlechterrollen bei. Während (die) Ente die Nacht mit Elektrogitarre durchrocken will, trägt (der) Bär über seinem geblümten Kimono eine Küchenschürze und backt gern. Überdies „erzählen“ einfallsreiche Bild-Details wie ein rosa Kuschelhase (ständiger Bärenbegleiter mit eigener Mimik) oder „101 Wege wach zu bleiben“ (Entes Lektüre zu Beginn) Zusätzliches über die Protagonisten.
Auch die Farbgebung unterstützt Figuren-Charakteristiken und die Dynamik der Geschichte. Herrschen im Haus des müden Bären dunkel- und hellblaue Flächen vor, so dominieren im Haus der wachen Ente Weiß und Sonnengelb. Mobiliar und Gegenstände beider Häuser sind gekonnt, mal mit zartem Strich, mal als flächiger Kontrast, in die jeweils vollfarbigen Innenräume gesetzt, wobei auffällt, dass das Muster der Bären-Schlafdecke mit dem des Enten-Fußbodens (fast) identisch ist. Wenn Bär beim dritten Besuch von Ente aus dem Schlaf aufschreckt und die Wut aus ihm herausbricht, dringt in das ruhig-blaue Bärenhaus Pink und später Grell-Orange ein.
Für einen Einstieg könnte anhand der ersten Seiten die Ausgangssituation der Geschichte geklärt werden, woran sich ein Gespräch über Lust und Frust beim Einschlafen anschlösse. Über Figurenkarten bildeten sich dann Bär-Ente-Paare, wobei improvisierte Dialoge zwischen müdem Bär und quietschfideler Ente auf die tatsächlichen Wortgefechte neugierig machen.
(Der Rote Elefant 38, 2020)