Roter Elefant Rezension

Wenn das Gesetz gilt, dass Mädchen, bevor sie 13 werden, einmal hoffnungslos verliebt sein müssen, so trifft das auf Majken nicht zu. Sie blickt interessiert-distanziert auf die Jungen ihrer Klasse, aber sie sind ihr egal. Keine Distanz allerdings hat sie in Bezug auf die Cliquen der Mädchen. Da gibt es eine beste Freundin und eine beste Feindin. Und was die über sie denken, ist Majken keineswegs egal. Doch plötzlich meldet sich die „beste Freundin“ Tessa nicht mehr auf dem Handy, wirkt abweisend und förmlich. Hat Tessa etwa einen Freund? Ein Plan muss her! Dafür braucht Majken Ivan, den Neuen aus der 6b. Er soll mit ihr so tun, als seien sie „zusammen“. Zum Schein natürlich, um die anderen Mädchen, vor allem Tessa, neugierig zu machen. Ivan geht auf den Deal ein und der Plan funktioniert. Am Ende wird Tessa wieder Majkens „beste Freundin“. Davor aber gibt es viele Auf und Abs, Zweifel, Hoffnungen und reichlich Kommentare, die Majken über ihr Verhalten und ihre Gefühle äußert. Aber nicht nur Majkens Plan geht in Erfüllung. Auch der von Ivan, der heimlich will, dass aus Schein Sein wird. Eigentlich wollen das beide und so kommt es zu einer Berührung. Sie sind „Ein bisschen zusammen“, wie der treffendere schwedische Titel wörtlich übersetzt lautet, denn jetzt fängt etwas an „und alles kann passieren“.

Lindbäck meistert die komplexe Aufgabe, sich der Gefühlswelt ihrer intelligenten 12-jährigen Ich-Erzählerin zu nähern, subtil und eindrucksvoll. Zwischen den Zwängen zur Anpassung an Rollenbilder, Kleidermoden, Musikstile und dem Bedürfnis zu Abgrenzung und Ich-Behauptung, gibt es ein ständiges Hin und Her, was gleichaltrigen Leser*innen vertraut sein dürfte. Majkens emanzipatorische Haltung äußert sich auch darin, dass sie mit den Freundinnen den Bechdel-Test machen möchte, der u. a. untersucht, wie oft Mädchen über Jungs reden und wie oft über andere Themen. Das ist alles ein wenig schwedisch: die Schulorganisation, die Tatsache, dass Lehrer mit dem Vornamen angeredet werden, auch, dass alle Mütter berufstätig sind. Von Knäckebrot und Zimtschnecken ganz zu schweigen. Und wie das Wort „lustig“ benutzt wird, ist sehr schwedisch und entspricht nicht der deutschen Bedeutung. „Lustig“ meint nichts zum Lachen, sondern etwas Schönes, auf das man Lust hat. (Mama zu Majken: „Komm und mach es dir gemütlich. Das ist lustig“.) Also: Es geht um nicht viel, aber eigentlich um alles. Erwachsene könnten wehmütig werden.

Zum Einstieg oder im Anschluss an die Lektüre könnten internationale Ergebnisse des Bechdel-Tests präsentiert bzw. recherchiert und diskutiert werden.

(Der Rote Elefant 40, 2022)