Wenn Måns die Welt durch sein linkes Auge sieht, ist sie blass. Durch sein rechtes erblickt er sie in kräftigen Farben. Der 11-Jährige ahnt: Die Wahrheit liegt dazwischen. Dennoch sehnt er sich nach der intensiven Weltwahrnehmung. Dieser Wunsch scheint in Erfüllung zu gehen, als er seine Mutter in den Sommerferien nach Malmö begleitet. Dort lernt er Mikkel kennen, seinen ersten „best bro ever“. Sie skaten gemeinsam, versprechen einander als Blutsbrüder, aufrichtig zu sein, und lassen sich ihre Körper von Mikkels Bruder mit Filzstift-Tätowierungen bemalen. Måns verknallt sich in die coole Jasse.

Doch dann wird er von dem eingeholt, was er in Stockholm zurücklassen wollte: den Wirbel um seine Transidentität. Besonders sein Vater hat noch nicht verstanden, dass Måns trotz seines Coming Outs im Frühjahr die „exakt selbe Person ist“. Nach und nach gesteht Måns sich ein, wie sehr ihn dieser Konflikt belastet, und er fragt sich: Soll er Mikkel von allem erzählen und welche Folgen hätte das?

„Best Bro Ever“ lotet aus, was als „normal“ empfunden wird. Einerseits fühlt sich Måns nicht so angenommen, wie er ist, andererseits empfindet auch er Befremden, wenn ihm seine Eltern peinlich sind oder er den südschwedischen Dialekt nicht versteht. Der Roman beginnt während der Anreise nach Malmö und endet kurz nach den Sommerferien. In zahlreichen Rückblicken erzählt Måns vom Beginn des familiären Konflikts, der ihn belastet. Måns richtet sich in einem umgangssprachlichen Erzählton direkt an die Leser*innen: „Ich bin kaum der einzige Junge mit Vulva. Ich habe es gegoogelt und gelesen und gecheckt auf YouTube – und hallo? Wir sind Tausende!“ Måns’ Beobachtungen von Absurditäten des Alltags – der Vater trägt ausschließlich gepolsterte Radanzüge (sein „Windeldress“) und Babysitterin Nora wiederholt jedes Wort fünf Mal – verleihen dem Roman eine ironische Komik. Wenn Måns über Themen wie Suizid oder Mobbing nachdenkt, nutzt er seinen Sprachwitz souverän als befreiendes Stilmittel.

Måns’ innere Konflikte, wie das Gefühl, sich von seinen Eltern unverstanden zu fühlen, oder seine anfängliche Unsicherheit in der neuen Freundschaft mit Mikkel, dürften allen Jugendlichen bekannt vorkommen. Die Leser*innen werden vor allem in Bezug auf Geschlechterrollen mit Fragen konfrontiert, die auch Måns sich nicht abschließend beantworten kann. Seine Weltsicht changiert zwischen Wunschvorstellung und Realitätssinn.

In der Beschäftigung mit dem Buch könnten Jugendliche in einer bildkünstlerischen Werkstatt Måns’ Wahrnehmung nachspüren: Was sieht er durch sein linkes, was durch sein rechtes Auge – und wie sähe seine Welt durch beide Augen aus?