„Ein schwarzer Junge kann in diesem Land keinen besseren Start kriegen als zur Armee zu gehen“, predigt Rashads Vater. Anders als der ältere politisch engagierte Bruder Spoony, gehorcht der 16-jährige Einser-Schüler und Kunstliebhaber Rashad. Freitags jedoch entledigt er sich seiner Kadettenuniform auf dem Highschool-Klo so schnell wie möglich. Es ist Freitag. In „Jerry‘s Corner“ muss Rashad noch schnell etwas für eine Party besorgen. Eine Frau stolpert über ihn. Ein weißer Polizist wittert den Angriff eines Schwarzen auf eine Weiße und prügelt Rashad halb tot. Zufällig ist der gleichaltrige Weiße Quinn Zeuge. Er geht in dieselbe Schule, kennt aber Rashad nicht. Den Polizisten schon. Er ist der große Bruder von Quinns bestem Freund und war immer für ihn da, besonders nach dem Tod des Vaters in Afghanistan. Rashads Fall wird zum Medien-Hype, „einer filmt immer“! Interviewte Bürger setzen sich in Szene, Lehrer deckeln den Vorfall, aber Mitschüler zeigen nach und nach Gesicht. Wieder ist Freitag, diesmal mit Groß-Demo. Schon Tage vorher steht auf der Brust von Quinns T-Shirt „Ich gehe zur Demo“ und auf dem Rücken: „Und Du?“
Die ereignisreiche Woche, symbolisch angesiedelt in „Springfield“, häufiger Name von Kleinstädten in den USA, wird aus zwei Ich-Perspektiven erzählt. Rashads direkte Art drückt sich in einer „Was geht, Mann?“-Redeweise aus, wovon sich der Erzählstil des grüblerisch veranlagten Quinn deutlich abhebt. Latenter Rassismus kommt bei beiden ebenso zur Sprache wie dessen Verleugnung. Aber der Riss geht nicht durch Weiße und Schwarze, sondern hat soziale Ursachen. Familien und Milieus der beiden Erzähler sind dabei von entscheidender Bedeutung. Obwohl sich Rashad und Quinn nicht direkt begegnen, nähern sie sich einander an: Rashad beschließt, damit aufzuhören, immer „Ja“ zu sagen, Quinn entscheidet sich nach inneren und direkten Konflikten, auch mit der Mutter, für die Wahrheit. Im Schlusskapitel führen die Autoren die Perspektiven zusammen. Zentrales Motiv ist das „Unsichtbar-Sein“. Es verknüpft sich mit Rashads Lebensgefühl, seinen Zeichnungen, dem Wegsehen der Schule und einem intertextuellen Bezug zu dem bereits 1952 erschienenen Roman „Der unsichtbare Mann“ von Ralph Ellison, dessen Aktualität erschreckt. Relevanz und Botschaft des fesselnd zu lesenden Romans „Nichts ist ok!“ wird Jugendlichen schnell klar, so dass sich zu häufige Botschafts-Wiederholungen erübrigt hätten. In Schreibgruppen oder Deutschleistungskursen könnte anhand ausgewählter Kapitel „Lektorat“ gespielt werden: Welche Streichungen trügen zur Dichte des Textes bei und erhöhten damit dessen ästhetische Qualität?
(Der Rote Elefant 35, 2017)