2020 wurde Jakob Springfeld für sein „aufrüttelndes und mutiges Engagement“, mit dem er in Zwickau „die Erinnerung an die Anschläge des NSU wachhalte“, die Theodor-Heuss-Medaille verliehen. 2022 erschien im Bastei Lübbe Verlag die gemeinsam mit dem freien Journalisten Isso Ehrich verfasste Erstausgabe des Buches Unter Nazis. Seitdem wird der, sich als linker Aktivist verstehende, derzeitige Student für Politikwissenschaft und Soziologie, vielfach zu Lesungen eingeladen. Weshalb verlegt ein Jugendbuchverlag wie Beltz dieses Buch erneut?

Politisiert hat sich Springfeld als Schüler in der Fridays for Future-Bewegung, dann wandte er sich den Grünen zu. In jener Stadt zuhause, in der das sogenannte NSU-Trio lebte und wo das Gedenken an dessen Mordserie bis heute umkämpft ist, war es für ihn unvermeidlich, sich auch antifaschistisch zu positionieren. Im Gedenken an die Opfer listet Springfeld am Anfang seines Debüts namentlich bekannte und unbekannte Personen auf, die bei rechtsgerichteten Tötungsdelikten starben. In einem der zehn Kapitel („Zschäpe und ich“) porträtiert und beschreibt er ausführlich, wen die Mordserie des NSU-Komplexes zwischen 2000 und 2011 traf, und gedenkt der ehemaligen Mitbürger und Mitbürgerinnen damit auch ganz persönlich.

Durchweg klare Ich-Perspektive und ein sachlicher Stil zeichnen zudem all die Passagen aus, in denen Springfeld über sein nachträglich empfundenes privilegiertes Aufwachsen und ihn prägende Mitmenschen berichtet. Offen benennt er den in Zwickau seit langem agierenden neonazistischen Personenkreis und schildert von diesem ausgehende hasserfüllte, bedrohliche Szenarien für sich und seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen. Aufrichtig und sympathisch wirken die Darstellung seiner Hassliebe zum Heimatort, darunter die Eingeständnisse von Ängsten, Zweifeln und vermeintlichen Schwächen, sowie das Hinterfragen von Symbolpolitik versus staatlich-strukturell existierendem Rassismus.

Zahlreiche exakt belegte Quellen dienen nicht zuletzt dazu, den sich zunehmend verfassungsfeindlich und rechtsextrem ausrichtenden gesellschaftlichen Entwicklungen historisch und im aktuellen Ost-West-Verhältnis auf den Grund gehen zu wollen. Wünschenswert wäre hier jedoch eine genauere und tiefer schürfende Differenzierung gewesen als das Autorenteam mit seinen teils gängigen Erklärungen anbietet. Dass Springfeld seine Gesellschaftsanalyse schärft, beweist seine inzwischen zweite Publikation bei Bastei Lübbe, „Der Westen hat keine Ahnung, was im Osten passiert. Warum das Erstarken der Rechten eine Bedrohung für uns alle ist“.

Der Verlag liefert zu Unter Nazis auch ein Schulmaterial. Aber nutzt die im Buch vorangestellte bewahrpädagogische Trigger-Warnung vor Gewaltschilderungen dessen Verbreitung? Und fördert es seine Zugänglichkeit, wenn Gendersprache („Jede*r, der*die die Unterkunft betrat“, „Nachbar*innenhaus“, „Bekenner*innenvideo) überbordend Blüten treibt?