Elefantensommer
Ein 2 ½ Tonnen schwerer Grund, morgens aufzustehen
Aus dem Englischen von Katharina von Savigny
240 Seiten
ab 12 Jahren
€ 17,00

Der deutsche Verlag bewirbt das Buch als „herzerwärmendes Sommermärchen“. Richtig ist, dass manche Probleme am Ende gelöst sind. Aber von wem und worüber wird eigentlich erzählt? Zunächst: Alle Hauptpersonen sind Einwanderer, aus der Türkei, aus Mexiko, aus Italien. Der Vater der zwölfjährigen Hauptfigur Sila hat als Kurde Asylrecht in den USA, die Mutter wurde in Folge eines equal-pay-Streits in die Türkei abgeschoben. Mateo Lopez, der Junge, zu dem Sila vorsichtig eine Freundschaft aufbaut, ist ein Autist und lebt allein mit der Mutter. Zimmerer Gio, der aus Chinaimporten Fertighäuser montieren musste, kaufte nach einem Lotto-Gewinn ein ummauertes Farmgelände, auf dem der größte Teil der Geschichte spielt. Er ist jedoch kein isolierter Glückspilz, sondern Teil einer Tipp-Gemeinschaft von Kollegen. Auf Gios Grundstück wird Elefantenkind Veda, zuvor einer insolventen Zirkustruppe abgekauft, von ihrer Kette befreit. Kaum zufällig ist Silas Schule nach Harriet Beecher-Stowe benannt, der Autorin, die dazu beigetragen hat, dass die Südstaaten-Sklaven von ihren Ketten befreit wurden. Überdies spielt das Ganze in Oregon, dem Staat, der sozusagen zur DNA der USA gehört, da Mitte des 19. Jh. zahllose Trecks auf dem Oregon-Trail die Rocky Mountains Richtung Kalifornien überquerten.

Mehr soll vom turbulenten Inhalt samt interkultureller Anspielungen und beiläufiger Globalisierungskritik nicht erörtert werden. Das Geschehen – mit seinen intertextuellen Bezügen – ist eingebettet in genaue Beobachtungen von Flora, Fauna und Klima des Pazifik-Staates Oregon. Und es kreist immer wieder um das Thema Tierwohl, dem wichtigsten Anliegen von Sila bzw. der Autorin, einer engagierten Tierschützerin. Letztere erzählt überschauend, immer wieder eine andere Figur in den Blick nehmend. Aber sie wagt es auch, nicht nur an die Perspektive der Elefanten gebunden zu erzählen, sondern sie selbst denken bzw. sprechen zu lassen. Das geschieht ganz am Ende. Nicht nur für Kinder anrührend wird dort eine Art Familienzusammenführung gefeiert: Elefantenkind Veda und Elefantenmutter Mahdi finden sich wieder. Der Originaltitel heißt „The Elephant in the Room“, im Englischen eine Metapher für verdrängte Probleme. Hat der Verlag die Mehrdimensionalität nicht bemerkt? Dazu könnte ein Ausspruch von Sila passen: „Wenn man mehr über etwas weiß, nimmt man es anders wahr.“

Um mittels des emotionalen Themas Tierwohl auf das Buch neugierig zu machen, böten sich die Elefanten-Monologe vom Buchende an. Aus Vermutungen „Wer spricht?“ wäre dann die Geschichte rückwärts zu erkunden.