Nur wenige Kinderbücher über den Tod wagen es, so selbstverständlich und locker-humorvoll-ironisch mit dem Thema umzugehen. Mama Sambona, Königin der Insel Ukerewe, ist klapprig dünn, zahnlos und uralt. Doch nichts und niemand kann sie daran hindern, ihr Leben fröhlich schaukelnd in vollen Zügen zu genießen – auch der Tod nicht. Als besagter Gevatter die Königin zu den Ahnen bringen will, hat sie mindestens drei Dinge zu tun, die wichtiger sind: der Nichte bei den Matheaufgaben helfen, die Hirseernte einbringen und ein großes Fest feiern. So viel Lebenslust kann auch der Tod nicht widerstehen; er lässt sich von der schlauen Sambona überlisten und sogar zu einem flotten Tänzchen hinreißen.
Hermann Schulz, geboren in Tansania, ist ein Kenner afrikanischer Mythen. In seiner Parabel greift er das Motiv des trickreichen Umgangs mit dem Tod auf und wählt als dessen Handlanger den Hasen, denn „ein Hase bedeutet in Afrika nichts Gutes.“ Schulz` Erzählstil ist unaufgeregt, sachlich, kaum kommentierend. Er erzählt von Lebenskraft und Hoffnung, obwohl der Tod allegorisch (aschfahler Bürokrat im schwarzen Anzug, Sensenmann) oder symbolisch (riesige Sanduhr) allgegenwärtig ist. Auf dem Cover kriecht er in Form eines Totenkopfes als Qualm aus (oder in?) Mama Sambonas Pfeife. Letztere Deutungsvielfalt ist das Verdienst Tobias Krejtschis. Dessen Illustrationen zum Text wählte der Verlag aus 360 Einsendungen aus. Krejtschi stellt in seinem beeindruckenden Bilderbuchdebüt große farbig-expressive (Doppel-)Seiten kleinen schwarz-braunen Linolschnitten gegenüber. Mal wird der Blick extrem geweitet, mal beruhigend fokussiert. Der Tod steckt in einem voluminösen Knochenkörper, besitzt eine dominante Körpersprache und blickt schmaläugig aus grau-grün-grimmigem Gesicht.
Mama Sambona dagegen leuchtet rot-orange, in ihrer archaisch-turbulenten Welt gibt es viel zu entdecken: Afrikas wilde Tiere, ausgelassene Trommler, eine Goldmarie und den kleinen rosa (Plüsch?-)Hasen, der unbedarft über die Seiten hoppelt. Steckt er auf dem Vorsatzpapier noch neugierig seinen Kopf in einen Schädel, lernt er doch bald den Tod zu fürchten, der ihn mit erbarmungsloser Knochenhand an den Ohren packt. In der Gestalt des Hasen weicht Krejtschi vom pfiffigen, meist sogar verschlagenen afrikanischen Vorbild ab. Der eher europäische Hasenfuß könnte eine Brücke zwischen den Erzählkulturen, aber auch hin zu kleineren Kindern bauen. Auf der letzten Seite angelt der Hase im Schutze von Mama Sambona. In gebührendem Abstand sitzt Gevatter Tod, die Knochenfüße im Wasser baumelnd. Rauchen Sambona und Tod (Friedens-)Pfeife?
(Der Rote Elefant 26, 2008)