Das große Buch der Tiere
Ein Zoodirektor erzählt
Illustration: Günter Mattei
144 Seiten
ab 8 Jahren
€ 19,90

Dieses Buch macht ungeheuer Lust auf Sachbuch. Bereits das Cover verführt zum Verweilen: Ein riesiger Schimpansenkopf im Profil. Das Auge lugt zum Betrachter. Oder Richtung Ohr? An dieses hält der Affe eine Banane wie einen Telefonhörer. Macht die Banane Geräusche oder telefoniert der Affe? Die Illustration wiederholt sich im Schlüsselkapitel 7 („Wo wir alle herkommen“) unter der Zwischenüberschrift „Von der Zeichensprache zur Sprache“. Dort erfährt der Leser, dass Schimpansen die Zeichengestik von Gehörlosen erlernen und über 250 Zeichen am Computer kommunizieren können. Klug dosiert gehen die Buchmacher von Alltagsanschauungen oder -wissen aus, um eine Brücke in komplexe Zusammenhänge zwischen Tier-Tier oder Tier-Mensch zu bauen. Ein unterwürfiger Hundeblick führt zur „Sprache der Wölfe“ oder ein Schminktisch mit Cremedose mit „Lanolinsalbe“ zum dafür nötigen Wollfett der Schafe. Dabei ist der Text trotz wissenschaftlicher Präzision von maßvoller Kürze, einfach im Stil, unterhaltsam zu lesen bzw. vorzulesen.

Ein zusätzlicher Gewinn sind die literarischen Texte: von Heraklit über Münchhausen, Hebbel, Canetti bis Morgenstern, Roth und Kästner. Je nach Alter und Interesse kann sich der (betrachtende) Leser oder (lesende) Betrachter selektiv annähern, über das Inhaltsverzeichnis bzw. das Stichwortregister. Wahrscheinlich ziehen ihn jedoch sofort die kolorierten Illustrationen im Stile von Brehms Tierleben in ihren Bann. Die informativ-eindrucksvollen Schautafeln zur Artenvielfalt der Tiere oder die überraschend-ironischen Interpretationen bestimmter Sachverhalte sind ein sinnlicher Genuss und voller Zitate aus Natur- und Kunstgeschichte. Das Buch verkörpert „das Einfache, was schwer zu machen ist“. Erwähnt sei auch das Kapitel „Zoo – wohin? …“. Darin liefert der engagierte Zoodirektor einen kurzen Abriss über die historische Entwicklung von Tiergärten, formuliert global geltende Prinzipien für Natur- und Artenschutz. Dabei setzt er mehr auf positive Beispiele und vermeidet eher Kritik an immer noch weltweit katastrophalen Zuständen, wie z.B. in China.

Unbestritten ist das Buch eine Fundgrube für jeden Sachkundeunterricht. Für Literatur- und Kunstunterricht oder Leseförderungsprojekte würde sich ein fächerübergreifender Umgang anbieten. Aufgrund der emotionalen Nähe von Kindern zu Tieren könnten von Mädchen und Jungen je nach Vorlieben Sachbuch- und literarische Texte kombiniert werden, z.B. mit Tiergedichten aus „Marabu und Marabu“. Dies entspräche dem ganzheitlichen Ansatz des Buches ebenso wie einer modernen Pädagogik.

(Der Rote Elefant 24, 2006)