Der Ritt auf dem Seepferd
Alte und durch wundersame Zufälle neu entdeckte Schriften über die unglaublichen Abenteuer des Carl Friederich Hieronymus Freiherr von Münchhausen
Illustration: Aljoscha Blau
30 Seiten
ab 9 Jahren
€ 15,00

Der österreichische Schriftsteller Heinz Janisch erprobt sich in vielen Genres. Diesmal belebt er die klassische Lügengeschichte. Angeblich fand er ein Heft mit bisher unbekannten Geschichten des Lügenbarons. Und Aljoscha Blau setzt nach. Beim Aufschlagen des Buches sieht der Betrachter das Denkmal „Münchhausen auf Seepferd“ von 1782 mitten in St. Petersburg. Zwar ist St. Petersburg Blaus Heimatstadt, aber ein Tourist würde dieses Denkmal vergeblich suchen. Er müsste nach Kaliningrad weiterreisen zu „Münchhausen auf Kanonenkugel“ von 2005. Janisch jedenfalls hat ca. 50% des Klassikers gekürzt und sprachlich gekonnt modernisiert nacherzählt. Neu gelogen sind die titelgebende Episode, mit Federn gefüllte Kanonenkugeln, eine Frau, die Sonnenlicht sammelt, ein Erdumdreher oder ein Klavierkonzert im Walfischbauch. Auch diese Stoffe und Motive scheinen Märchen und Mythen aus aller Welt entlehnt, fügen sich aber überzeugend zu den adaptierten Texten.

Wie eingangs erwähnt, ist Illustrator Aljoscha Blau für die Janisch’en Texte ein kongenialer Partner. Seine Illustrationen laden zu wunderbaren Augenreisen ein. Mal grenzt Blau Farbflächen klar voneinander ab, Details wirken wie aufgeklebt, mal ist alles in ein diffuses farbiges Licht getaucht. Besonders beeindruckt ein nächtlich-nebliger Wald. Im Vordergrund sind ein Haus und drei Figuren zu sehen, dahinter schemenhafte Bäume. Das Dunkelgrün-Grau-Gemisch dehnt sich perspektivisch zum rechten oberen Bildrand und verleiht dem Ganzen trotz scheinbarer Eintonigkeit eine immense Tiefe. Einziger Blickfang: ein gelbgrün leuchtender Sonnenfleck im Sack auf Münchhausens Schulter. Aber Blau ist auch ein Ironiker. Er zitiert Christos Verpackungskunst oder setzt statt eines Erdlochs einen modernen Abfluss fotorealistisch ins Bild. In den Text gestreute Federzeichnungen nehmen Janischs gestelzt-witzigen Sprachstil auf und begleiten ihn durch kleine Karikaturen.

Das Buch ist im Wortsinne ein „künstlerisches Bilderbuch“, bilden doch die mit Feder geschriebenen Überschriften, ergänzende Vignetten und ganzseitige Gemälde eine Einheit.

Es wäre reizvoll, die Bilder einzeln auszustellen und Kinder dazu eigene Lügen-Geschichten erfinden zu lassen. Später könnten diese mit den Texten Janischs verglichen werden: Welche Textpassage wählte eigentlich der Illustrator für sein dazugehöriges Bild?

Für kundige Leser böte sich ein Vergleich zwischen Urtext und Adaption an.

(Der Rote Elefant 25, 2007)