„Hol Wasser, du mickriges Erdmännchen!“ sagt Tusos Tante. Und Tuso nimmt einen Eimer und geht. Dabei ist er erst vier. Der Eimer ist sehr schwer für einen Vierjährigen, aber er muss tun, was die Tante befiehlt: Seine Mutter ist weggegangen, der Vater tot. Die überforderte Tante empfindet Tuso als Last. Die eigenen Kinder durchzubringen ist hart genug. Aber zum Glück ist da noch Daudi, Tusos großer Bruder. Daudi ist nicht nur älter, sondern auch sehr schlau. „Wir hauen ab. Ich halte es hier keinen Tag mehr aus!“ sagt Daudi zu Tuso und Tuso geht mit. Die Brüder folgen der Straße, entfernen sich vom Dorf und der ungeliebten Tante, voller Hoffnung auf das, was kommen wird. Anfangs gemeinsam mit Daudi, später allein, wird Tuso lernen, auf den Straßen Tansanias zu überleben. Er wird klauen, betrügen, die Kälte der Nacht, Hunger und Durst spüren, das Leben eines „normalen“ Straßenkindes leben.
Die „wahre Geschichte“ Tusos wird durch Fotos und andere Dokumente am Ende des Buches belegt. Was es bedeutet, in Tansania unterwegs zu sein, um welche Entfernungen es geht, lässt sich mit Hilfe einer Tansania-Karte anschaulich nachempfinden. Die Autorin Hanna Schott ist sich bewusst, wie fremd einem jungen deutschen Leser Tusos Leben sein wird. So versucht sie immer wieder Verständnis-Brücken zu bauen, setzt aber auch etwas auf Exotik und Abenteuer. Sie betont dabei das emotional Verbindende, nicht das Trennende. Auch deutsche Kinder wünschen sich Tiere, brauchen Freunde. Mit Doa, dem Straßenhund, ist Tuso nicht mehr so allein und auch er findet Freunde und fühlt sich aufgenommen in eine Gruppe. Letztlich erscheint Bildung als einziger Ausweg aus dem Teufelskreis der Armut, auch wenn sich dieser Ausweg auf abenteuerliche Weise eher zufällig ergibt: Tuso schmuggelt sich in das Auto zweier Missionarinnen, die ihn später in ein Internat aufnehmen. Dort lernt er u.a. lesen und schreiben. Die Faktizität überzeugt mehr als die literarische Qualität. Da es etwas aus der Mode gekommen ist, schon kleineren Kindern etwas über das harte Leben Gleichaltriger in Ländern der Dritten Welt zu vermitteln, über Ungerechtigkeit und Armut, aber auch über die Kraft der Schwachen, ist es ein nötiges Buch. Die sehr farbintensiven, ornamentalen Illustrationen von Franziska Junge erinnern an die naive Tingatinga-Malerei, eine seit den 60er Jahren in Afrika, insbesondere in Ostafrika, populäre afrikanische Bildsprache.
(Der Rote Elefant 27, 2009)