Nirgends sind in Prozenten der Bevölkerung gemessen so viele Menschen in Gefängnissen wie in den USA. Ein soziales und politisches Problem, das es zu beheben gilt, koste es was es wolle. Vor diesem Hintergrund – ohne dass er ausdrücklich genannt würde – spielt der Auftakt der Science-Fiction-Trilogie „Masterminds“.
In einem verkehrs- und informationstechnisch abgeriegelten Ort, irgendwo im Bundesstaat New Mexico, wird gut ein Dutzend Kinder aufgezogen, allesamt Klone verurteilter Schwerverbrecher, der „Masterminds“. Ziel des Experimentes ist es, zu überprüfen, ob diese Kinder aufgrund ihrer genetischen Anlagen asozial werden, obwohl sie ohne schädliche Einflüsse aufwachsen. Die Geschichte wird von fünf betroffenen Jugendlichen im Alter von 13 bzw. 14 Jahren erzählt: zwei Mädchen, drei Jungen. Anfangs liefert die Zusammenschau das Bild einer sorglosen Kindheit in einer „gated community“, wie sie in vielen Ländern mit großem sozialem Gefälle existiert. Irgendwann stoßen die Jugendlichen auf Ungereimtheiten, ausgelöst durch einen zufällig gefundenen Zeitungsartikel von „draußen“. Nach und nach entdecken sie ein perfides System von effektiver Kontrolle und technischer Überwachung, wobei ihre vermeintlichen Eltern maßgeblich beteiligt sind. Sie sollen in „Serenity“ (Heiterkeit, Gelassenheit) festgehalten werden. Gemeinsam planen sie den Ausbruch, wobei strategisch und praktisch Eigenschaften und Fähigkeiten jedes Einzelnen gefragt sind. Endlich sind sie „draußen“! Aber wie geht es weiter? Hier bricht „Im Auge der Macht“, der erste Band von „Masterminds“ ab, was Lesern Raum für eigene Phantasien lässt, die mit dem Folgeband abgeglichen werden können.
Die spannende, als Metapher zu verstehende Geschichte hat Tempo, wozu auch die wechselnden Erzählperspektiven beitragen. Jeder Klon wird darin als Persönlichkeit deutlich. Einiger besonders dramatischer Zuspitzungen bei der waghalsigen Flucht hätte es nicht unbedingt bedurft, aber sie kommen „Spannungs“-Lesern entgegen. Neben der Kritik am Missbrauch wissenschaftlich-technischer Möglichkeiten werfen die Figuren eine Reihe interessanter Fragen auf, der sich auch die Leser im Laufe ihrer Sozialisation stellen müss(t)en: Wie geht ich damit um, dass mir Erwachsene eine heile Welt vorgaukeln wollen? Dass sie mir meine Identität und meine eigene Entscheidungsfähigkeit nehmen? Will ich nur fliehen oder sie bestrafen? Kann ich mich überhaupt noch frei entscheiden, und welche Chancen habe ich in einer Welt, in der es Armut, Ungleichheit und Kriminalität gibt?
(Der Rote Elefant 34, 2016)