Schon die erste Doppelseite macht neugierig: Tiere eines angrenzenden Waldes beobachten, wie ein Jahrmarkt abends seine Tore schließt. Die Besucher*innen verlassen das Gelände. Was werden die Waldtiere tun? Ganz einfach: sich ihrerseits, den Menschen gleich, amüsieren!

Wie sie das tun, zeigt sich ausschließlich in den beeindruckenden Bildern der italienischen Illustratorin und Storyboard-Expertin Mariachiara Di Giorgio, wobei der US-amerikanische Autor Gideon Sterer Idee und Konzept für dieses textlose Bilderbuch lieferte. Der Dynamik des Geschehens entsprechen die verschiedensten Bildformate, wobei Bildfolgen und -aufbau sowohl an einen Comic als auch an filmisches Erzählen erinnern. Dieser Mix entspricht Di Giorgios Absicht, das Geschehen aus der Perspektive verschiedener Tiere darzustellen, wozu zahlreiche liebevolle Details beitragen. Da wird mit Eicheln und Blättern bezahlt. Dort ist ein Wiesel sauer, weil seine Kinder nichts mehr zum Bezahlen haben. Ein Fuchs bekommt als Preis einen Aquarium-Fisch, dem er später im See die Freiheit schenkt. Ein Bär reicht nicht bis zur Ladentheke und hat frappierende Ähnlichkeit mit Paddington Bär. Besonders komisch wird es, wenn die relativ naturalistisch gestalteten  Waldtiere das Verhalten der Menschen nachzuahmen versuchen. Beispielsweise „fotografiert“ ein Bär die Tiere auf dem Karussell, wobei „Rehe auf Pferden“ eine besonders gute Figur machen. Aufgrund der Farbgebung wirken die Bilder Di Giorgios stark sinnlich: Man hört förmlich die Fahrgeschäfte, riecht die Zuckerwatte und ist von den vielen Lichterketten geblendet. Dabei wirken ihre Hell-Dunkel-Kontraste im Wechsel mit den strahlend grellen Farben geradezu magisch, sodass der Eindruck entsteht, sich mitten im Geschehen zu befinden, was kindliche Betrachter* innen besonders faszinieren wird. Als sich die Nacht dem Ende nähert, weisen die Eulen auf die bald aufgehende Sonne hin und das Vergnügen auf dem Jahrmarkt hat ein Ende. Die Tiere ziehen sich ausgelassen und zufrieden in ihren Wald zurück. Der morgens eintreffende Wächter findet zu seinem Erstaunen einige Waldfrüchte …

Das Textlose des Buches, aber auch die verschiedenen Perspektiven bieten reichlich kreative Möglichkeiten zum Einstieg bzw. zur  Weiterarbeit. Als „Einstieg“ böte sich die Illustration an, in der die Tiere anfangs den Jahrmarkt beobachten. Was könnte ihnen, je nach Art, durch den Kopf gehen? Desweiteren könnten kindliche Betrachter jeweils ein Tier bzw. eine Tierfamilie durch das Buch verfolgen und deren Erlebnisse erzählen. Außerdem wäre zu überlegen, welche Tiere man sich noch auf einem Jahrmarkt vorstellen könnte und was diese dort täten.

(Der Rote Elefant 39, 2021)