Heulend erklärt „Leo“ dem Papa: „Ich kann mir meinen Namen aussuchen, aber du dir dein Kind nicht“. Bis Papa das versteht, passiert einiges im Leben des 10-Jährigen, der eines Tages mitteilt, dass er einen „schönen, neuen Namen“ habe: Jennifer. Mama und Oma reagieren irritiert, Papa und Opa halten Leo für „verwirrt“, was auch so ist. Leo weiß zwar, dass er „kein Bub“ ist, aber was bedeutet es, „ein Mädchen mit Penis“ zu sein? Kann vielleicht das neue Kind in Mamas Bauch „Leo“ heißen oder die Katze, der das alles „ganz egal“ ist? Zum Glück sind da Anne und Dicker Gabriel. Leos beste Freunde wollen sogar ihre Sparbüchsen plündern, um für Jennifer ein Kleid in Türkis oder Pink zu kaufen. Aber so weit ist Leo noch nicht. Erst die aufmüpfige Stella vom Mädchenklo und deren Kleiderschrank und Styling-Offerte festigen das Jennifer-Ich. Nur blöd, dass Opa Jennifer und Stella im Bus entdeckt und Familie, Lehrerin und Freunde auf den Plan ruft …

Franz Orghandl ist eine Frau. Wie ihr Leo gab sie sich einen auf ein anderes Geschlecht verweisenden Namen, was das Transgender-Thema biographisch motiviert. Auch die Herkunft der Autorin und der literarische Ort Wien decken sich. Den insgesamt heiter angelegten Text durchziehen klangvolle Begriffe wie „Bub“, „Erdäpfelgröstl“, „Goschn“, oder „Naschkasterl“, wobei diese für Nichtösterreicher*innen illustrativ „übersetzt“ werden. Überhaupt runden die zahlreichen Kohlezeichnungen mit ihren knallroten Details, ironischen Situationszuspitzungen, Figurenmimik und -gestik die unspektakuläre Wirkung des Buches gekonnt ab, das eigentlich über das Thema Transgender hinaus von der Ich-Findung und Selbstbestimmung eines Kindes und der zögerlichen Akzeptanz durch die Erwachsenen erzählt.

Dies gelingt ohne pädagogischen Zeigefinger solange die überschauend erzählende Autorin ihre Erzählweise der Weltbetrachtung ihrer Hauptfigur anpasst, wobei sie je nach „Verwirrung“ des Kindes zwischen „Leo“ und „Jennifer“ wechselt. Sobald die Erwachsenen jedoch unter sich reden, stimmt der kindliche Gestus nicht mehr. Die aufklärerische Botschaft an die Leser*innen überformt in diesen „erwachsenen“ Diskurs-Passagen das Literarische. Eine genauere Erzählkonstruktion wäre dem thematisch durchaus wichtigen und weitgehend überzeugend erzählten Kinderbuch angemessener gewesen.

(Der Rote Elefant 38, 2020)

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