Mayas Handtäschchen
Illustration: Jacky Gleich
55 Seiten
ab 6 Jahren
€16,00

Maya Hadbiakaprjanoschwilibaitalgarianz – was verheißt ein solcher Name? Der kleinen Lohnbuchhalterin bei einer Versicherungsgesellschaft eine unbestimmte Sehnsucht nach dem Orient. Die Suche nach einem orientalischen Kochbuch schlägt fehl; dafür ersteht Maya ein abgenutztes, wunderbar duftendes Handtäschchen. Es ist das erste von drei Täschchen, die sie ihrem Sehnsuchtsziel näher bringen. In den Taschenspiegeln verborgene Namensvetterinnen (Sumaya, Soraya, Raya) lehren Maya orientalisch kochen, nähen und schließlich in den Orient zu gelangen. Dort gilt es einen seit 100 Jahren schlafenden Prinzen zu wecken. Dank der erworbenen Fähigkeiten durchbricht Maya den Zauber und entdeckt noch vor der Heirat das Geheimnis ihrer (Identität stiftenden) Herkunft.

Hohler erzählt von einem Menschen, der in seinem kulturellen Umfeld offensichtlich „fremd“ ist und auf verschlungenen Pfaden seinen Ort findet. Das originelle wie sprachlich versierte Spiel mit Märchenmotiven und -versatzstücken hat doppelten Boden. Hohler verknüpft sehr bewusst märchenhaft Vergangenes mit aktueller Realität; insbesondere seine resolute und emanzipierte Protagonistin ist von ‚dieser Welt’. Was allerdings das Buch zu einem eigene Sehnsüchte befördernden Vergnügen macht, ist die Qualität der Text-Bild-Beziehung. Kontraste zwischen Mayas stupidem Arbeitsalltag und abenteuerlicher Reise ins ‚Märchenland’ machen Jacky Gleichs großformatige und ausdrucksstarke Illustrationen vor allem farblich deutlich: die Hintergründe werden nach und nach freundlicher und wärmer. Und setzt Mayas knallrotes Kleid in trister Umgebung lediglich einen Lichtpunkt, nehmen Vielfalt und Leuchtkraft der Farben auf dem Weg zum orientalischen Palast immer mehr zu. Malerische und duftende Requisiten, die schon per Text sinnliche Genüsse heraufbeschwören, sind ebenfalls kongenial in Bilder umgesetzt und vervielfachen den Effekt. So spiegeln sich etwa die Wirkung eines selbst genähten Kleides oder das Aroma eines zubereiteten Essens auf den Gesichtern Mayas und anderer Figuren wider. Nicht zu vergessen die – in Ornamenten festgehaltenen – Gerüche, die den Handtäschchen entströmen: nach Kamelhaardecken, Ölbaumzweigen oder Tamariskenblüten

Das Buch erzwingt geradezu einen sinnlichen Einstieg, mittels Farben (pastellig, kräftig) und Düften (würzig, exotisch). In welche Welt werden Menschen hier entführt?

(Der Rote Elefant 27, 2009)