Ein Sommernachts­traum
Illustration: Jacky Gleich
42 Seiten
ab 10 Jahren
€ 12,90

Das Kunstmärchen Ein Sommernachtstraum des 1984 verstorbenen Franz Fühmann ist 40 Jahre alt. Erstmals erschienen im Sammelband Shakespeare-Märchen (KBV der DDR), hat es nichts von seiner Frische eingebüßt. Bereichert wird es nun durch Jacky Gleichs ästhetisch eigenwillige Illustrationen. Will man Shakespeares Komödie nacherzählen, wird es schnell unübersichtlich. Wer da warum und mit wem was auszuhandeln hat, ist linear kaum zu fassen. Mythen- und Märchenforscher Fühmann jedoch legte scheinbar mühelos den „Kern des Märchens“ frei. Dabei durchdringen sich, gemäß seiner an Altmeister Hoffmann geschulten Theorie, Phantastisches und Reales ganz selbstverständlich. Elfen sind bei Fühmann das, was sie in grauer Märchen-Vorzeit waren: launisch-boshafte, hinterhältige Wesen, keine Esoteriker wie in heutigen Fantasy-Schinken. Diese Deutung jedoch erzählt Fühmann mit ironischer Distanz. Und das Stilmittel „Ironie“ verbindet Wort- und Bildkunst.

Jacky Gleichs ironisch-verfremdete oder grotesk-zugespitzte Figuren und Situationen bieten begleitende, aber auch ganz eigenständige Interpretationen der Textvorlage. Oberon und Titania erscheinen zwar im luftig-weißen Gewand, aber Physiognomie und Gestik wirken erdverbunden vergleichbar einem Paar vor dem Scheidungsrichter. Die Verlobten Theseus und Hyppolyta haben dieses Gekeife noch vor sich: wie ein Denkmal sitzt das künftige Herrscherpaar in entsprechender Pose kantig verbunden auf dem Thron. Und die liebesverirrten Jungfrauen Hermia und Helena verkörpern die Inkarnation weiblicher Eifersucht. Die Vieldeutigkeit von Text und Bildern bietet reichlich Zugänge für Leser und Betrachter jeden Alters. Jüngeren Kindern wird Elf Puck sehr gefallen. Als derb-dreistes Kleinkind (oder kleinwüchsiger Versehrter?), die Zauberblume wie eine Klapper schwenkend, genießt es „Narrenfreiheit“. Welches Kind würde nicht gerne so folgenreiche Eseleien aushecken? Jugendlichen dagegen erhalten einen ersten, prosaisch-vergnüglichen Durchblick durch das Shakespear’sche Liebeskuddelmuddel. Denn: Ist die Frage „Wer mit wem und warum?“ wirklich überholt? Welche heutigen Zaubermittel verursachen ähnliche Folgen? Vielleicht ließe sich der Stoff noch einmal, diesmal als zeitnahe Komödie umschreiben und aufführen, endend in einer traumhaften (Premieren)-Party in einer Sommernacht?

(Der Rote Elefant 25, 2007)