„Dann war ich nur noch umgeben von Sterbenden und Toten. … Als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, leuchtete über mir ein roter Stern auf der Mütze eines Soldaten der Roten Armee. Es war der 27. Januar 1945.“ Das Vernichtungslager Auschwitz ist befreit. Davon erfährt die 12-jährige Eva Diamant erst, als sie nach langem Lazarettaufenthalt in ihre Heimatstadt Budapest zurückkehrt. Ein Onkel hat Eva mit Hilfe des Roten Kreuzes gefunden und sie zu sich geholt. Hinter ihr liegt eine Zeit voller Grauen. Eva wurde trotz zunächst geglückter Flucht nach Auschwitz deportiert. Sie litt unter stundenlangen Zählappellen, schwerer körperlicher Arbeit und immerwährendem Hunger. Ihr drohte der Tod in den Gaskammern. Überlebt hat sie dank hilfsbereiter Lagerinsassen.
Der chronologisch aus der Ich-Perspektive erzählte (Über-)Lebensbericht beginnt mit Evas Erinnerungen an das liebevolle Zusammensein mit Mutter, Vater, Bruder Tamás, Großeltern, Freunden sowie an die duftenden Aprikosen aus dem Garten. Dieses Erinnern spendet Eva in ihren dunkelsten Stunden Trost und Lebensmut. Adäquaten Bildausdruck findet es in den orange-leuchtenden Aprikosen des Vor- und Nachsatzes. 18 ganzseitige, gedämpft farbige Illustrationen sowie kleine Zeichnungen vermitteln Vorstellungen vom Erzählten und begleiten die Rezeption des Textes auf eindringliche Weise. Stephanie Lunkewitz gelingt eine ästhetische Gratwanderung, bei der sie junge Leserinnen und Leser im Blick behält, um einerseits Überforderung und andererseits Verharmlosung zu vermeiden. Anschaulich inszenierte Räume ergänzen oder weiten die Textaussage, wie zum Beispiel das detailreich gestaltete Wohnzimmer zum Schabbat. Ganz nah rückt die Bildkünstlerin an Eva heran, wenn dieser im Lager „mit kalter Klinge“ der Kopf geschoren wird. Stephanie Lunkewitz übertrug für Illustrationen Bleistiftzeichnungen per Projektor auf Aquarellpapier und nutzte dann Gouachefarben. Ihr neorealistischer Stil entspricht kongenial dem Anliegen des Buches, das die Holocaustüberlebende Eva Szepesi in die Worte fasst: „Vergesst meine Geschichte nicht, denn jetzt seid ihr Zeugen einer Zeitzeugin.“ Ein halbes Jahrhundert lang schwieg Szepesi über ihre Erlebnisse im Holocaust. Zum 79. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz brach sie ihr Schweigen: 91-jährig sprach sie als Gastrednerin im Deutschen Bundestag, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken, und mahnte: „Nie wieder ist jetzt!“ Da war das Bilderbuch schon in Vorbereitung.
Der Anhang im Buch erklärt unbekannte Begriffe und ist auch für das Verständnis von Eva Szepesis Rede hilfreich (www.bundestag.de). Diese lässt sich gut mit dem Bilderbuch vergleichen.