Auf dem Vorsatz von Fucking fucking schön ist eine Übersichtskarte skizziert: 22 Namen, verbunden durch wilde Linien, ergänzt mit Symbolen und Kommentaren. Die Karte lässt ein komplexes Beziehungsgeflecht aus Bekanntschaften, kurzen intimen Begegnungen sowie freundschaftlicher und romantischer Liebe erahnen. Eva Rottmann entfaltet dieses Geflecht in ihrem Jugendbuch aus der Perspektive von zwölf Jugendlichen im Alter von etwa 17 Jahren. In zehn Kurzgeschichten lässt sie verschiedene Figuren erste, oft unsichere Erfahrungen mit Intimität und Sexualität machen. Viele dieser Figuren sind bereits aus Rottmanns Romanen Mats und Milad und Kurz vor dem Rand (DJLP 2024) bekannt: Alex empfindet den Druck, endlich Sex haben zu müssen, Teddy erlebt seinen ersten Kuss, Tini kauft sich einen Vibrator, Lou erfährt beim Trampen sexuelle Gewalt, Yasin und Leylas Beziehung leidet an ihren Vorstellungen davon, wie Sex in einer Beziehung zu sein hat …
Zwischen den Kapiteln behandeln sogenannte „Vor-, Zwischen- und Nachspiele“, inspiriert von Gesprächen mit realen Jugendlichen, Gedanken, Erfahrungen und Erklärungen zum Thema Sexualität. Auf jeweils einer Seite geben sie in Form von Listen („Top 10 der Dinge, die beim Sex schief gehen können“) oder kurzen Absätzen, etwa zur Frage was eigentlich mit „dem ersten Mal“ gemeint sei, Denkanstöße und verdeutlichen die Vielfältigkeit sexueller Erfahrungen und Bedürfnisse. Jedes Kapitel des Buches ist eine eigenständige Kurzgeschichte, erzählt aus der Ich-Perspektive einer Figur, wobei Eva Rottmann jedem ihrer Charaktere eine individuelle Erzählstimme verleiht. Die zehn Kurzgeschichten stehen für sich, entfalten beim chronologischen Lesen aber ihren besonderen Reiz. Wie auf dem Vorsatz erkennbar, stehen die Figuren miteinander in Beziehung und tauchen in verschiedenen Geschichten auf. Dadurch können ihre Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Perspektiven nuanciert wahrgenommen, Annahmen aus den vorangegangenen Kapiteln hinterfragt und korrigiert werden. Dass nicht alle der 22 Figuren aus der Ich-Perspektive erzählen, eröffnet dabei spannende Leerstellen.
Fucking fucking schön beeindruckt als literarisches Werk, das sich unverschämt sensibel und ehrlich mit Intimität und Sexualität auseinandersetzt. Differenzierter als der Titel vermuten lässt, handelt es eben nicht nur von „Fucking“, und vor allem ist das, was die Figuren erleben, nicht immer „schön“. Neben selbstbewusst gelebter Sexualität und vertrauten Beziehungen thematisiert Rottmann auch sexuelle Gewalt. Bedingt durch die stringent eingehaltene jugendliche, teils naive Perspektive erkennen und benennen die betroffenen Protagonist*innen die Gewalterfahrungen meist nicht als solche. Um diese Einordnung selbst vornehmen zu können, benötigt Fucking fucking schön eine aufgeklärte Leserschaft ab 16 Jahren. Jüngere Leser*innen werden bei der Lektüre idealerweise von Erwachsenen begleitet.