Ich habe den Todesengel überlebt
Aus dem amerikanischen Englisch von Barbara Küper
224 Seiten
ab 12 Jahren
€ 6,99

Zeitzeugen, die als Opfer den Holocaust überlebten, können authentisch über Menschheitsverbrechen im Nationalsozialismus  aufklären. In naher Zukunft müssen dies ausschließlich ihre Zeugnisse übernehmen. Dazu gehört dann auch dieses Jugendbuch, das aus der Sicht von Eva Mozes Kor erzählt, wie es Kindern gelang, den „Todesengel“ zu überleben. Das Leid der jüdischen Zwillinge Miriam und Eva beginnt, als die Zehnjährigen im Mai 1944 nach Auschwitz deportiert werden. Von KZ-Arzt Dr. Josef Mengele durch Kopfnicken an der Rampe selektiert, durchleben die aus wohlhabender Familie stammenden Schwestern schockartig Erniedrigung, Hunger und Todesangst. Sie überstehen entwürdigende Vermessungen, schmerzhafte Injektionen und Erkrankungen, weil Evas Lebenswille nicht zu brechen ist. Früh hat sie in Auseinandersetzungen mit dem autoritären Vater gelernt, aufzubegehren und eigene Vorstellungen durchzusetzen. Ihr trotziger, gebetsmühlenartig wiederholter Gedanke wird zum Gelübde: „Miriam und ich werden überleben, weil wir zusammen gehören.“ Sie überwindet ihre allgegenwärtige Todesangst – beim Stehlen von Brot, Wasser oder Kartoffeln, bei der Flucht aus dem „Sterbe“-Zimmer und der Suche nach Miriam. Grundlage des Erzählertextes sind von Eva aufgeschriebene Erinnerungen, Interviews und Recherchen. Dieses Material ermöglicht der Autorin, „auf eine Weise zu schreiben, die die Wahrheit wiedergibt, wie Eva sie erinnert und zugleich ihre Geschichte so zum Leben erweckt, dass junge Leser sie in der Sicherheit dieser Seiten nacherleben können.“ (Nachwort)  Dies gelingt, weil das erwachsene Ich rückschauend erzählt, aber hin und wieder kommentierend vorgreift, um auf diese Weise später gewonnene Erkenntnisse  einzuflechten. Klug ist die Entscheidung, den erzählerischen Bogen von der Geburt der Zwillinge bis in die Mitte der 90iger Jahre zu spannen. Dadurch erhält der Leser zusätzlich eine Vorstellung vom Leben der Zwillinge vor und nach dem Holocaust. Die über 60jährige Eva Mozes Kor nutzt eine Gedenkfeier zur 50. Wiederkehr der Befreiung von Auschwitz, um vor Ort in einer öffentlichen Erklärung ihren Peinigern, auch Dr. Mengele, zu vergeben. „Zorn und Hass sind die Saat, aus der Krieg erwächst. Vergebung ist ein Same des Friedens. Sie ist der letzte Akt der Selbstheilung.“ Ihre bewundernswerte Haltung ist ein Appell, nie wieder Verbrechen an Menschen zuzulassen. Die Biographien der Autorinnen, ihre Nachworte, eine Zeitleiste und ein Glossar am Ende des Buches stellen das Erzählte in einen zeitgeschichtlichen Zusammenhang.

(Der Rote Elefant 30, 2012)